Das Liederbuch „Nová píseň“ (Das neue Lied)
Die Kirchen in der Tschechoslowakei hatten in der Zeit der Einparteienherrschaft nur sehr beschränkte Möglichkeiten, religiöse Literatur, Zeitschriften und Zeitungen herauszugeben. Die einzige Möglichkeit (aber sehr riskant, denn es drohten Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu vier Jahren) war die Eigenproduktion auf einer mechanischen Schreibmaschine und die Veröffentlichung im Selbstverlag, auch Samisdat genannt. Es handelte sich um einen relativ langwierigen Prozess der Reproduktion von Texten mithilfe von Kopier- und Durchschlagpapier unterschiedlicher Stärke. Das Ergebnis waren 11 Kopien (die zwölfte war bereits völlig unleserlich). Während der „Normalisierung“ der tschechoslowakischen Gesellschaft entstanden unzählige Samisdat-Schriften, von denen die überwiegende Mehrheit heute in der Bibliothek „Libri prohibiti“ lagert. Geleitet wird diese Institution von Jiří Grundtorád, der wegen der Organisation und Anfertigung von Textabschriften, z. B. von Gedichten des Nobelpreisträgers für Literatur Jaroslav Seifert, vier Jahre im Gefängnis saß. Ein mit Noten versehenes Gesangbuch überstieg unter den damaligen Umständen unsere Möglichkeiten. Deshalb mussten wir im Ausland um Hilfe bitten. Die folgenden Texte beschreiben die Situation in der EKBB und im Anschluss den eigentlichen Entstehungsprozess des Liederbuchs „Das neue Lied“. Die Texte beziehen sich also nur auf einen Teil der Samisdat-Schriften. Das Liederbuch war für die Jungen Gemeinden der EKBB überlebensnotwendig, denn ihre Spiritualität kam nicht ohne die klassischen Reformationslieder aus, und natürlich wurden auch neue englische, tschechische, französische und deutsche Lieder gesungen, am liebsten aber afroamerikanische Spirituals und Traditionals.
Jiřina Šiklová (Jiří Otava)