Das Liederbuch „Nová píseň“ (Das neue Lied)

Die Kirchen in der Tschechoslowakei hatten in der Zeit der Einparteienherrschaft nur sehr beschränkte Möglichkeiten, religiöse Literatur, Zeitschriften und Zeitungen herauszugeben. Die einzige Möglichkeit (aber sehr riskant, denn es drohten Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu vier Jahren) war die Eigenproduktion auf einer mechanischen Schreibmaschine und die Veröffentlichung im Selbstverlag, auch Samisdat genannt. Es handelte sich um einen relativ langwierigen Prozess der Reproduktion von Texten mithilfe von Kopier- und Durchschlagpapier unterschiedlicher Stärke. Das Ergebnis waren 11 Kopien (die zwölfte war bereits völlig unleserlich). Während der „Normalisierung“ der tschechoslowakischen Gesellschaft entstanden unzählige Samisdat-Schriften, von denen die überwiegende Mehrheit heute in der Bibliothek „Libri prohibiti“ lagert. Geleitet wird diese Institution von Jiří Grundtorád, der wegen der Organisation und Anfertigung von Textabschriften, z. B. von Gedichten des Nobelpreisträgers für Literatur Jaroslav Seifert, vier Jahre im Gefängnis saß. Ein mit Noten versehenes Gesangbuch überstieg unter den damaligen Umständen unsere Möglichkeiten. Deshalb mussten wir im Ausland um Hilfe bitten. Die folgenden Texte beschreiben die Situation in der EKBB und im Anschluss den eigentlichen Entstehungsprozess des Liederbuchs „Das neue Lied“. Die Texte beziehen sich also nur auf einen Teil der Samisdat-Schriften. Das Liederbuch war für die Jungen Gemeinden der EKBB überlebensnotwendig, denn ihre Spiritualität kam nicht ohne die klassischen Reformationslieder aus, und natürlich wurden auch neue englische, tschechische, französische und deutsche Lieder gesungen, am liebsten aber afroamerikanische Spirituals und Traditionals.

Jiřina Šiklová (Jiří Otava)

Erinnerungen an die evangelischen Arbeitsrüstzeiten

Dieser Beitrag wurde teilweise aus den Rückblicken zusammengestellt, die bereits in „Der Weg der Kirche II“ (Cesta církve II, Praha: ČCE 2010, 99 S.) und „Der Weg der Kirche IV“ (Cesta církve IV, Praha: ČCE 2011, 127 S.) veröffentlicht wurden.
Zunächst geht es um eine Auswahl aus den 2010 veröffentlichten Erinnerungen Blahoslav Šoureks, eines der verdienstvollsten Organisatoren und Leiter evangelischer Arbeitsrüstzeiten von den fünfziger bis zu den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Kurz danach begannen wir, eine eigenständige Monographie über die Arbeitsrüstzeiten vorzubereiten, die ein Jahr später erschien. Blahoslavs Erinnerungen sind umso wertvoller, weil er sie Ende 1987, Anfang 1988 auf dem Krankenbett im Krankenhaus Vsetín niederschrieb. Der evangelische Pfarrer Jan Blahoslav Šourek war ein treuer Diener der Kirche im Seniorat Westböhmen, zunächst in Mariánské Lázně als Senioratsvikar und später als Pfarrer in Nejdek bei Karlovy Vary. Schließlich war er Pfarrer in der Oberen Gemeinde in Vsetín. Der Herr über Leben und Tod rief ihn noch vor dem Ende jenes Winters zu sich. Wir sind unserem Herrgott für unseren lieben Bruder, für seine Arbeit und sein lebenslanges Glaubenszeugnis und nicht zuletzt für diese Erinnerungen von ganzem Herzen dankbar.
Zum Zweiten geht es um eine Auswahl aus den Erinnerungen von anderen verdienstvollen Organisatoren und einzelnen Teilnehmern der Arbeitsrüstzeiten. Ergänzt werden sie durch Wissenswertes über diese Rüstzeiten.

Jan Blahoslav Šourek erinnert sich: Im Februar vor einem Jahr wurde ich von Marta Kačerová dazu aufgefordert, etwas über die Arbeitsrüstzeiten zu schreiben, denn es gibt immer weniger Zeitzeugen und vieles ist nirgends niedergeschrieben. Während ich im Krankenhaus ans Bett gefesselt bin und darüber nachdenke, dass ich kein junger Mann mehr bin und meine Lebenszeit begrenzt ist, möchte ich wenigstens einige Dinge aufschreiben. Die Tradition der Arbeitsrüstzeiten ging vom YMCA aus. Kurz nach dem Krieg fuhr Frau Prof.