Das Liederbuch „Nová píseň“ (Das neue Lied)

Die Kirchen in der Tschechoslowakei hatten in der Zeit der Einparteienherrschaft nur sehr beschränkte Möglichkeiten, religiöse Literatur, Zeitschriften und Zeitungen herauszugeben. Die einzige Möglichkeit (aber sehr riskant, denn es drohten Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu vier Jahren) war die Eigenproduktion auf einer mechanischen Schreibmaschine und die Veröffentlichung im Selbstverlag, auch Samisdat genannt. Es handelte sich um einen relativ langwierigen Prozess der Reproduktion von Texten mithilfe von Kopier- und Durchschlagpapier unterschiedlicher Stärke. Das Ergebnis waren 11 Kopien (die zwölfte war bereits völlig unleserlich). Während der „Normalisierung“ der tschechoslowakischen Gesellschaft entstanden unzählige Samisdat-Schriften, von denen die überwiegende Mehrheit heute in der Bibliothek „Libri prohibiti“ lagert. Geleitet wird diese Institution von Jiří Grundtorád, der wegen der Organisation und Anfertigung von Textabschriften, z. B. von Gedichten des Nobelpreisträgers für Literatur Jaroslav Seifert, vier Jahre im Gefängnis saß. Ein mit Noten versehenes Gesangbuch überstieg unter den damaligen Umständen unsere Möglichkeiten. Deshalb mussten wir im Ausland um Hilfe bitten. Die folgenden Texte beschreiben die Situation in der EKBB und im Anschluss den eigentlichen Entstehungsprozess des Liederbuchs „Das neue Lied“. Die Texte beziehen sich also nur auf einen Teil der Samisdat-Schriften. Das Liederbuch war für die Jungen Gemeinden der EKBB überlebensnotwendig, denn ihre Spiritualität kam nicht ohne die klassischen Reformationslieder aus, und natürlich wurden auch neue englische, tschechische, französische und deutsche Lieder gesungen, am liebsten aber afroamerikanische Spirituals und Traditionals.

Jiřina Šiklová (Jiří Otava)

Eine Reminiszenz nach 28 Jahren an die Bewegung „Neue Orientierung“ und an einen 1976 in der Zeitschrift „Listy“ veröffentlichten Artikel[1]

Die gegenwärtige Entwicklung unserer Gesellschaft freut mich zwar nicht, aber alles in allem bin ich nicht enttäuscht. Die meisten Staaten in der heutigen Welt haben ein Parlament, politische Parteien, demokratische Wahlen und eine Marktwirtschaft, und doch ist es kein Paradies auf Erden. Warum also sollte unsere Republik eine Ausnahme sein? Wir haben ein ganz normales demokratisches Standardsystem mit all den Fehlern, die das mit sich bringt.

Wenn ich von etwas enttäuscht bin, dann davon, wie schnell die Menschen vergessen, wie es hier „zu sozialistischen Zeiten“ bzw. während der „Normalisierung“, also in der Zeit von 1969 bis 1989, gewesen ist.

Wenn ich hier für einen anderen Zweck schreiben würde, dann würde ich vielleicht aus dem damaligen Text ausführlich zitieren, dass die Verfassung der ČSSR laut Paragraph 28 zwar „allen Bürgern freie Meinungsäußerung garantierte“, dass aber die Praxis völlig anders aussah, ich würde Paragraph 32 zitieren, der besagte, dass „die Religionsfreiheit garantiert ist“, und ich würde erklären, was eine „staatliche Genehmigung“ war. Den Lesern hier ist das aber wahrscheinlich bekannt, und so beschränke ich mich eher auf Zitate und Paraphrasen jenes 28 Jahre alten Artikels.

Damals war ich relativ oft vor allem mit den Pfarrern Jan Lukáš und Karel Trusina in Kontakt, die mir auch einmal Texte über die Gruppierung „Neue Orientierung“ (Nová orientace) gaben, mit der Bitte, ich möge sie ins Ausland schicken. Wem ich sie schicken sollte und wann das war, weiß ich nicht mehr genau, aber ich erinnere mich daran, dass bei einem Verhör bei der Staatssicherheit in der BartolomějskáStraße, vielleicht 1972 oder 1974 (?), eine Frage zur „Neuen Orientierung“ gestellt wurde. Angeblich hatten sie mich gesehen, wie ich mit einem evangelischen Pfarrer morgens an der Straßenbahnhaltestelle hinter dem Nationaltheater stand. Das könnte wahr gewesen sein, ich brachte meine Kinder damals in die Schule in der OstrovníStraße und die beiden Pfarrer waren vielleicht naiv und dachten, dass sie erst in den Abendstunden überwacht würden. Aufgrund dieser und anderer Gespräche schrieb ich unter dem Pseudonym Jiří Otava für die Zeitschrift Listy, die damals in Rom vom tschechischen Exilanten Jiří Pelikán herausgegeben wurde, einen Artikel mit dem Titel „Gemeinsam im Lager der Ausgestoßenen“ (Společně v táboře vyvržených, in: Listy, Nummer 6, Jahrgang VI, Dezember 1976). Der Artikel sollte nicht nur die tschechischen Leser, sondern auch die Leser im Exil über die Situation der Kirche bei uns informieren, und auch darüber, dass die kommunistische Partei KSČ nicht nur mit den ehemaligen Parteimitgliedern „alte Rechnungen beglich“, sondern dass „Normalisierung“ auch weiterhin die Einschränkung der Freiheiten und Rechte aller bedeutete, nicht nur der Opponenten von 1968.

Der eine dieser evangelischen Pfarrer, vielleicht war es Jan Lukáš, sagte damals scherzhaft zu mir: „Höchste Zeit, dass Sie kommen. Haben Sie denn vergessen, dass wir, die Mitglieder verschiedener evangelischer Kirchen, mit Exkommunikation reichlich Erfahrung haben? Sie sind Anfänger und neu im Lager der Ausgestoßenen. Kommen Sie zu uns und lernen Sie, wie man überlebt. Vergessen Sie nicht, dass wir als Kirchengemeinden nicht nur die stalinistischen fünfziger Jahre, sondern schon davor in der Zeit der Gegenreformation buchstäblich jahrhundertelange Unterdrückung überlebt haben. Durch Verfolgung kann eine Bewegung manchmal im Inneren gestärkt werden! Das ist nicht nur negativ!“ Tatsächlich hatten wir viel zu lernen. Die Kirchen suchten damals auch noch nach einem akzeptablen Maß der Anpassung an das Regime, sie suchten nach legalen und illegalen Wegen, ihre Meinung zu äußern und Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Auch die Gläubigen fragten damals nach dem Maß ihrer Mitverantwortung und Mitschuld, wenn sie zur weiteren Entwicklung schwiegen. Auch bei ihnen kam es zu einem inneren Differenzierungsprozess. Ihre Situation war vor allem deswegen kompliziert, weil offiziell fast nichts festgelegt war und alle Entscheidungen von der Willkür der Parteimitarbeiter abhängig waren. Weil laut einem Gesetz von 1949 die Pfarrer aller Kirchen allein beim Staat angestellt waren, der sie auch bezahlte, hatte der Vertreter des Staates, der Kirchensekretär, das Recht, seine Zustimmung zur Anstellung von Pfarrern zu geben und sie in ideologischer Hinsicht zu überwachen. Wie war das also mit der Bezahlung? Das Grundgehalt eines Pfarrers betrug nach fünf Jahren Studium und dem Examen an der theologischen Fakultät monatlich 650 Tschechoslowakische Kronen (CSK); alle drei Jahre erhöhte sich dann das Gehalt um 30 CSK monatlich. Zum Vergleich: Die Altersrente betrug in dieser Zeit im Durchschnitt 880 CSK.

Gegen eine Entscheidung des Bezirks-/Kreissekretärs für Kirchenfragen konnte man auch deswegen keinen Widerspruch einlegen, weil die kommunistische Partei KSČ nie Kriterien für die „staatliche Genehmigung“ von Pfarrern niederschrieb. Da die Ernennung eines neuen Pfarrers oder seine Abberufung „lediglich ein Verwaltungsakt“ war, musste der Sekretär die (im Übrigen sehr häufige) Ablehnung eines vorgeschlagenen Pfarrers in keiner Weise begründen. Deshalb agierte der Sekretär stets im Einklang mit Recht und Gesetz und die Gläubigen konnten sich nicht über ein unrechtmäßiges Vorgehen beschweren. Die Pfarrer waren zwar auf dem Papier Angestellte ihrer Kirche, aber de facto waren sie Angestellte des Staates. Sie standen außerhalb der normalen Jurisdiktion, denn für sie hatte das „Arbeitsgesetzbuch“, in dem die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen einem Betrieb und seinen Angestellten und die Bedingungen für die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses festgelegt waren, keine Gültigkeit. (…) Deshalb konnte ein entlassener Pfarrer, wenn er die staatliche Genehmigung verlor (bzw. sie ihm aberkannt wurde), seinen Arbeitgeber nicht verklagen, er konnte keine Erklärung für seine Entlassung oder eine Begründung für diesen Verwaltungsakt einfordern. Damals gelang es mir zu recherchieren, dass pro Jahrgang etwa 12 % der erfolgreichen Absolventen der Theologischen ComeniusFakultät keine staatliche Genehmigung erhielten. (…) Schon früher zugelassene Pfarrer durften zwar weiter ihre Kirchengemeinde leiten, aber sie durften in keiner anderen Gemeinde predigen oder Vorträge halten. Der Staatsapparat verkündete offiziell, er werde nicht in das Leben der Kirchengemeinden eingreifen und auch den Inhalt der Predigten und die Arbeit der Pfarrer nicht überwachen, wenn sich die Kirchen ausschließlich auf rein religiöse Probleme beschränken und nicht in das Leben der Gesellschaft eingreifen, wenn sie hinter den Kirchenmauern ein Ghettodasein führen würden. Ohne die Zustimmung des Bezirkssekretärs für Kirchenfragen den Pfarrer eines anderen Ortes in die Gemeinde zur Predigt einzuladen oder für einen Fachvortrag einen Laien zu gewinnen, war ein Vergehen. (Pfarrer Jan Lukáš verstieß mindestens viermal pro Jahr gegen diese Regel, denn er lud mich regelmäßig ein, um in der Gemeinde in Jarov für den Kreis der Dreißigjährigen Vorträge zu halten.) Auch höhere Kirchenorgane hatten nicht das Recht, einzugreifen oder sich für ihre Pfarrer einzusetzen und von den staatlichen Organen eine Begründung zu verlangen, warum die staatliche Genehmigung nicht erteilt oder entzogen worden war. Allein im Jahr 1972 wurden auf diese Weise innerhalb der kleinen EKBB zehn Pfarrer „aus dem Verkehr gezogen“ und nicht einer von ihnen erfuhr, was der wahre Grund für seine Abberufung aus dem Amt war.

Damals schrieb ich: „Der oben beschriebene Druck wirkt sich nicht nur auf die einfachen Gläubigen aus, sondern treibt natürlich auch einen Keil zwischen die Pfarrer, die kirchlichen Würdenträger und die einzelnen Gemeinden. Einige von ihnen sind der Meinung, dass die Kirche eine besondere Mission hat und deshalb nicht zulassen darf, dass ihre Stellung und ihre Kontinuität durch ein zu großes Engagement für oder auch gegen die aktuelle politische Situation gefährdet werden. Andere machen darauf aufmerksam, dass die Kirche nicht nur ihren Mitgliedern, sondern allen Menschen, der ganzen Gesellschaft die Bedeutung des Evangeliums nahebringen und die Fragen des Menschen und seiner Rolle im Universum neu formulieren sollte. Ihr Einfluss sollte über die Gemeinschaft der Gläubigen hinausgehen, und deshalb kann sie ihre Sendung nicht abseits der Welt formulieren.“ Einer der Pfarrer, Jan Lukáš oder Karel Trusina, drückte es so aus: „Wenn das Sein des Menschen in Gefahr ist, wenn also das Geschöpf bedroht ist, dessen Gott gedenkt (Psalm 8), hat die Kirche in erster Linie die Pflicht, den Menschen auf der Ebene seines Menschseins anzusprechen.“ Wenn jedoch ein Pfarrer diese Ansicht in die Tat umgesetzt und sich an die breite Öffentlichkeit gewandt hätte, und die Staatsorgane hätten davon erfahren, hätte er die von ihnen gesetzten Grenzen überschritten und damit sich selbst und ggf. auch die Existenz seiner kirchlichen Gemeinschaft gefährdet. „Mich erinnert das unwillkürlich an den Ausspruch eines Majors der Staatssicherheit, den ich neulich gehört habe: ,Was Sie persönlich denken, ist uns egal, aber sobald Sie nicht aufpassen und noch jemand anderen von ihren Ansichten überzeugen wollen, sperren wir sie ein. Da kennen wir kein Pardon. Vergessen Sie nicht, dass schon drei Menschen als Öffentlichkeit gelten!‘ (…) ,Die Frage des Menschen ist in unserer Generation essentiell mit Macht, Wahrheit, Verantwortung, Leiden und Solidarität verbunden‘, schrieb kürzlich einer dieser beiden evangelischen Pfarrer. Die Grenze der Regimekonformität, also die Grenze dessen, was ich noch zu ertragen bereit bin, nehmen bei uns sowohl die Christen als auch die Anhänger der Politik von 1968 bewusst wahr.“

Die Bildungsmöglichkeiten waren eingeschränkt, ebenso die Möglichkeit, einen Beruf zu ergreifen, der sie befriedigt. Auch dafür gab es keine formalen Regeln. Die Gläubigen und die politischen Gegner des damaligen Regimes hatten also ein ähnliches Problem zu lösen: Wie kann man seine Kinder erziehen und sie im Sinne der eigenen Standpunkte beeinflussen, ohne seiner politischen Stellung allzu sehr zu schaden?

Und wieder kann ich den damaligen Artikel zitieren und diesmal weiß ich, dass es sich um einen Sohn von Pfarrer Lukáš handelte. Die Begründung für seine wiederholte Ablehnung an der Fachoberschule war folgende: „Wenn ihm ermöglicht wird, zu studieren, besteht die große Gefahr, dass er sich nach dem Abitur an der Theologischen Fakultät einschreibt und wie sein Vater Pfarrer wird.“ (…) „Zweimal legte ich Widerspruch dagegen ein, dass mein Sohn nicht an der Fachoberschule angenommen wurde, und ich verwies auf die Verfassung der ČSSR. Nach mehreren Nachfragen wurde mir schriftlich mitgeteilt, dass mein Sohn nicht deshalb abgelehnt wurde, weil ich Pfarrer bin und mein Sohn gläubig ist, sondern dass die Gründe für seine Ablehnung andere sind. Welche, das habe ich allerdings bis heute nicht erfahren.“

Dieser Druck des Regimes auf die andersdenkenden Bürger war natürlich deprimierend, zumal er mit der Verkündung von Rechten und Freiheiten bemäntelt wurde, die aber nicht umsetzbar waren. Es wurde ein Spiel gespielt, bei dem die Unterdrücker so taten, als gäbe es gar niemanden, der zu unterdrücken wäre, und die Unterdrückten wussten von vornherein, dass ihr Protest ins Leere laufen würde. Und dieses grausame Spiel einer dunklen Zarenmacht betraf alle Bereiche, in denen sich formal eine gesellschaftliche Meinung herausbilden kann.

„Die Christen sind in der Tschechoslowakei eine nur mehr oder weniger geduldete Gruppe und es wird ihnen unmöglich gemacht, in irgendeiner Weise eine breitere Öffentlichkeit zu beeinflussen und so auch etwas zur persönlichen Orientierungssuche der anderen Menschen beizutragen. Eine der wesentlichen Aufgaben der Christen – die Mission und Evangelisierung der Gesellschaft – wird ihnen verwehrt.“ Ein anderer Pfarrer konnte dennoch etwas Positives daran finden: „Die Gläubigen werden einer Prüfung ihres grundlegenden Charakters unterzogen. Das weckt in ihnen ein Gefühl der Bedrohung, was auch zu einer gewissen Geschlossenheit und einem größeren Zusammenhalt innerhalb der Religionsgemeinschaften führt, die so nicht nur eine religiöse Funktion erfüllen, sondern zu einem Zufluchtsort werden, an dem auch andere Werte gepflegt werden, an dem die Menschen aber vor allem menschliche Beziehungen suchen. Außenseiter zu sein, verschafft einem nicht nur die Möglichkeit, sich selbst und den Charakter der Prüfung zu verstehen, der wir Gläubigen ausgesetzt sind, sondern auch die zu verstehen, die uns zu Außenseitern machen. Die Außenseiter, welcher Glaubensgemeinschaft und welchem politischen Lager sie auch angehören mögen, wissen, dass das Monopol eines jeden Regimes auf die ,einzig richtige Weltanschauung‘ auf Abwege führt und dass es nicht möglich ist, ein für alle Mal unerschütterliche Prinzipien aufzustellen und dann dogmatisch auf ihnen zu bestehen.“

Und das Fazit? Auch damals konnte man ein sinnvolles Leben führen und sich nicht dem unterordnen, was öffentlich propagiert wurde. Die Fernsehserien der Normalisierungszeit, die der Verdummung der Menschen dienten, mussten wir uns nicht anschauen, und statt nach Bulgarien, was sehr teuer war, konnte man zu Freunden fahren. Wenn man nicht „alles haben wollte, was die anderen haben“, konnte man sich einen großen Teil seiner Freiheiten und Werte bewahren, die man persönlich für richtig hielt. Dies alles ist auch jetzt möglich, und das auf viel höherem Niveau und ohne das Risiko, verfolgt zu werden. Auch das kann man sich beim Lesen „alter“ Artikel bewusst machen.

Der protestantische Protest und die Parallelgesellschaft 1977–1989[2]Das Schmuggeln von Büchern

Die wichtigste Form des Protests gegen die staatliche Ideologie bestand nicht in direkten Aktionen oder Demonstrationen gegen den Staat, sondern in der Veröffentlichung von Samisdat-Schriften. Bereits 1973 begann Ludvík Vaculík, in seiner eigenen Edition „Petlice“ Schriften im Eigenverlag zu veröffentlichen. Seinem Beispiel folgten weitere, einschließlich Václav Havel.

Obwohl Hebe Kohlbrugge nicht mehr in die Tschechoslowakei fahren durfte, gab sie die Kontakte zu diesem Land nicht auf. Sie entsandte weiter Studenten dorthin, die das Netz von Kontakten aufrechterhielten und erweiterten. Kohlbrugge hatte die Idee, die Studenten könnten ihr bei der Verbreitung der benötigten Literatur behilflich sein. Das Schmuggeln von Büchern war in der Tschechoslowakei natürlich illegal. Wer beim Transport einer Sendung erwischt wurde, dem drohte Gefängnis.

Das brachte natürlich auch die in Gefahr, für die diese Bücher bestimmt waren. Wenn herauskam, dass Christen in den Bücherschmuggel verwickelt sind, konnte dies wiederum den Verdacht wecken, die Kirchen seien an der Zersetzung des Staates und der nationalen Interessen beteiligt. Auch Hebe Kohlbrugge brachte dieses riskante Unternehmen erhebliche Probleme ein. Die Aktion war sehr kostspielig, sodass sie mehrere evangelische Organisationen um finanzielle Hilfe bitten musste. Von „Vervolgd Christendom“ lieh sie sich einen Wohnwagen. Dann überredete sie niederländische Studenten, die Bücher über die Grenze zu transportieren. Stellvertretend für alle Studenten seien hier Derk Blom und Cocky de Jong sowie Kees Lavooy und Nico den Bok genannt. Letztere wurden von der Staatssicherheit festgenommen. Die Bücher sollten in der Tschechoslowakei von Vladimír Kalus, einem Pfarrer ohne staatliche Genehmigung, in Empfang genommen werden. Lange Zeit wurden die Büchersendungen auch zur Pfarrersfamilie Brodský gebracht, die in den siebziger Jahren relativ weit von Prag entfernt in einem Dorfpfarrhaus lebte, oder zu Cyril Horák, der in České Budějovice Pfarrer war. Es war für alle Beteiligten eine große nervliche Belastung, denn das Risiko, dass man verraten wird und die ganze Aktion scheitert, war natürlich erheblich.

Diese Aktionen fanden in den Jahren 1978–1984 statt. Hebe Kohlbrugge brachte bei ihren tschechischen Freunden in Erfahrung, welche Titel den Lesern fehlen, gegebenenfalls, welche Bücher im Ausland gedruckt werden sollten. Sie bestellte die Bücher bei Verlagen in den Niederlanden, in Deutschland und der Schweiz. Die Aktionen selbst liefen folgendermaßen ab: Sie schickte zwei niederländische Studenten auf Reisen, die im Normalfall mit dem eigenen Auto fuhren. In der Nähe von München hatte man ein Treffen mit Leuten von der Organisation „Vervolgd Christendom“ vereinbart, von denen sie sich einen Wohnwagen liehen, den sie mit den Büchern beluden. Die härteste Nuss war die tschechoslowakische Staatsgrenze. Die Papiere der Studenten mussten hieb- und stichfest sein. In der Spalte „Beruf“ trugen sie meistens Tätigkeiten wie „Lehrer“ oder „Kraftfahrer“ ein. Es durfte kein Verdacht auf eine dubiose Aktion aufkommen. Danach fuhren sie mit dem Wohnwagen entweder nach Miroslav zu Vladimír Kalus oder nach Horní Dubenky zu Familie Brodský. Dort wurde die Lieferung rasch übergeben. Zusammen mit den Bücher überreichten die Studenten auch wichtige Dokumente. Für die Buchtitel wurden oft Chiffren erfunden und selbst die so verschlüsselten Buchverzeichnisse wurden sofort vernichtet. Vladimír Kalus, ein Pfarrer ohne staatliche Genehmigung, der als Kraftfahrer angestellt war, fuhr in der gesamten Tschechoslowakei herum. Auf seinen Fahrten brachte er die aus den Niederlanden eingeschmuggelten Bücher zu seinen Freunden und Bekannten. Familie Brodský dagegen transportierte die Bücher, wenn sie ihre Freunde und Kollegen besuchte, in Mülltüten. So gelangten die Bücher auch zu den Pfarrern, die dem Kreis der Dissidenten angehörten.

Alle niederländischen Studenten, die aktiv an den Buchtransporten beteiligt waren, wussten sehr genau um das Risiko dieser Aktionen. Sie wurden im Vorhinein instruiert, was sie tun sollen, wenn sie während der Aktion von der Staatssicherheit festgenommen werden. Zwischen 1978–1984 kam es einmal zu einem solchen Zwischenfall. Im September 1984 wurden die Bücher bei den niederländischen Studenten Kees Lavooy und Nico den Bok an der tschechoslowakischen Grenze entdeckt und die beiden wurden von der Staatssicherheit festgenommen. Die niederländische Seite erfuhr zum Glück wenige Tage danach davon und forderte mithilfe des Außenministeriums von der Tschechoslowakei die Freilassung der Studenten. Nach zwei Monaten kamen sie frei und konnten in die Niederlande zurückkehren.

Um die Büchertransporte kümmerten sich am intensivsten Hebe Kohlbrugge und der Student Henri Veldhuis. Hebe Kohlbrugge sammelte Geld, während Henri Veldhuis für die praktischen Dinge zuständig war, vor allem für die Bestellung des Wohnwagens und der Bücher. Obwohl Hebe Kohlbrugge 15 bis 25 % Preisnachlass auf die Bücher bekam, kosteten die Büchertransporte in die Tschechoslowakei jährlich mehrere Tausend Gulden. Nach der Festnahme der Studenten Nico den Bok und Kees Lavooy flammte die Diskussion um die mit diesen Transporten verbundenen Schwierigkeiten wieder auf. Die Frage war: Wie soll es weitergehen? Aus der Tschechoslowakei kam die Nachricht, dass die Familien Kalus und Brodský bereit sind weiterzumachen. Hebe Kohlbrugge und Henri Veldhuis beschlossen jedoch, keine Studenten mehr in diese riskanten Aktionen einzubinden.

Durch die Büchertransporte brachten die Niederländer aus der Tschechoslowakei auch aktuelle Informationen über die politische Situation im Land mit. Es kamen Kontakte und Kontaktpersonen hinzu, die bereit waren, sich bei ihrer Weitergabe zu engagieren. Es wurden Orte und Termine für weitere Transporte vereinbart. Sie brachten auch in Erfahrung, wann und wo die sog. Wohnungsseminare stattfanden, zu denen dann auch niederländische Dozenten und Professoren unterschiedlicher Fachrichtungen eingeladen wurden. Die niederländische Hilfe begann sich auszuweiten und wurde nie nur als einseitiges Geschenk aufgefasst, sondern fand immer in einer Atmosphäre der Zusammenarbeit und gemeinsamer Zukunftspläne statt.

Welche Bücher wurden geschmuggelt? Es handelte sich überwiegend um Bibeln, Kinderbibeln, Liederbücher, in geringerem Umfang um theologische Literatur und biblische Kommentare. Aber auch Bücher über Politik waren keine Ausnahme. Mitunter ergab sich aus diesen Aktionen die Anregung zu Übersetzungen ins Tschechische. So konnten beispielsweise das Büchlein des jüdischen Theologen P. Lapide Die Bergpredigt (Übersetzung: D. Brodská) und die philosophischen Texte des französischen Philosophen E. Levinas für die Teilnehmer der Wohnungsseminare übersetzt und veröffentlicht werden. Im Ausland wurden auch zahlreiche Samisdat-Titel von V. Havel und B. Komárková sowie Bücher von den Vätern der Charta 77 gedruckt. Großes Interesse bestand auch an Büchern für die evangelische Jugend, vor allem an Liederbüchern aus Dissidentenkreisen. So entstand ein evangelisches Jugendliederbuch mit dem Titel Das neue Lied (Nová píseň), das in den Niederlanden herausgegeben wurde und in Tschechien (nicht nur bei der evangelischen Jugend) sehr beliebt war.

Das christliche Jugendliederbuch „Nová píseň“ (Das neue Lied)

(Ein Bericht über die Entstehung dieses wunderbaren Liederbuchs in der Zeit der

„Normalisierung“.)

Ein wohlfeiner Schatz des geistlichen Gesangs in dem zu finden Neue Lieder

geistlicher Art,

bestimmet zum allgemeinen und besonderen ersprießlichen Gebrauche der evangelischen Jugend,

zum Lobe Gottes, zur Heilsunterweisung der Gläubigen, in einem allzeit fröhlichen und getrösteten Geiste.

Als Druckwerk erschienen im holländischen Hoornaar Anno Domini 1987[3]

Trotz des Eisernen Vorhangs, der nicht die Macht hatte, der christlichen Liebe Einhalt zu gebieten, hatten wir zu den Schwestern und Brüdern der holländischen Kirchen, die uns besuchten oder bei uns studierten, intensive brüderliche und freundschaftliche Kontakte. Es wäre ein lange Reihe an Namen zu nennen. Zumindest einige von ihnen werden in den folgenden Erinnerungen erwähnt. Ein großer Teil der umfassenden Hilfe fand in der Regie einer besonderen Frau statt – Schwester Hebe Kohlbrugge. Es ist deshalb kein Zufall, dass sie es war, die auch im Falle des Gesangbuchs „Das neue Lied“ im Juni 1987 mit der niederländischen Druckerei in Hoornaar korrespondierte. Sie brachte es auch zuwege, das aus dem Fonds „Glaube in der Zweiten Welt“ in der Schweiz die Rechnung von 18 245,62 Gulden beglichen wurde. Sechstausend Liederbücher mit blauen Streifen lagen bereit. Nach und nach wurde die gesamte Auflage auf verschiedenen Wegen in die ČSSR gebracht, nicht nur „zum ersprießlichen Gebrauche der evangelischen Jugend“.

An die Entstehung, Produktion und Verteilung dieser hektografierten SamisdatSchrift, an das dann ebenso wie nach der Schlacht am Weißen Berg im Ausland gedruckte Exilgesangbuch „Das neue Lied“, erinnern sich einige nicht mehr ganz taufrische Absolventen der Evangelisch-Theologischen Comenius-Fakultät: Pavel Hlaváč, Bohdan Pivoňka, Jan Keller, Pavel Kalus und Pavel Keřkovský.

Pavel Hlaváč erinnert sich

Ich denke, die Initiatoren waren der Pfarrer Bohdan Pivoňka, als er in Svratouch war, und der Vikar Jan Keller in Jimramov (lange bevor er dort Bürgermeister war). Diese meine beiden lieben und furchtlosen Brüder gelangten am Beginn der „Normalisierung“ zu dem Schluss, wenn man im Pfarrhaus ein Vervielfältigungsgerät hat und für das Seniorat Gemeindebriefe vervielfältigt, dann kann man ruhig auch ohne Erlaubnis von oben für die Senioratsjugend ein paar beliebte neue Lieder aus der poetischen und musikalischen Werkstatt Miloš Rejchrts, Svatopoluk Karáseks, Bohdan Pivoňkas und einer Reihe anderer Autoren vervielfältigen. Diese Lieder waren zusammen noch in keinem Liederbuch zu finden. Das war auch gar nicht möglich – sie entstanden aus der Situation heraus und reagierten oft auf die aktuellen Repressionen des Regimes gegenüber Kirche und Gesellschaft. Sie wurden meist nur per Hand abgeschrieben und so verbreitet, ähnlich wie die politische und kulturelle SamisdatLiteratur. Die Lieder hatten einen prophetischen Geist, es waren eigentlich christliche, geistliche Protestsongs. Sie zu vervielfältigen, war damals brandgefährlich. Ich gestehe, dass ich damals gar nicht darauf erpicht war mitzumachen. Das Vervielfältigungsgerät in Proseč gehörte dem Seniorat und es galten dafür alle möglichen restriktiven Vorschriften des totalitären Regimes. Es war bei der Kreisverwaltung registriert und sowohl der Kreis- als auch der Bezirkssekretär und die Staatssicherheit wussten von seiner Existenz. An sie musste ich nach der Festnahme von Mirek Dus gleich 1971 die Matrizen des Jubiläumsjahrbuchs der Gemeinde Vršovice herausgeben, das ich auf diesem Gerät vervielfältigt hatte. Honza (Jan Keller, Anm. d. L.) und Bohdan brachten in dieser Zeit die ersten beschriebenen Matrizen und mehrere Pakete Papier zu mir – was blieb mir da anderes übrig, als meine Bedenken fallen zu lassen und meine Angst zu überwinden und unermüdlich die Kurbel zu drehen: jede Matrize 400x, für mich damals eine außergewöhnliche Menge, denn das Liederbuch war in dieser Zeit eine dringende Angelegenheit, geradezu ein spirituell-gesellschaftliches Bedürfnis.

Schließlich ging es ohne äußere Interventionen ab und es zeigte sich, dass man nicht vorzeitig in Panik verfallen muss, ja es auch nicht darf. Im Anschluss schnitten die Jugendgruppen des Seniorats Police (hauptsächlich die Junge Gemeinde Jimramov) die vervielfältigten Blätter auseinander, ordneten sie nach Liednummern, versahen das Liederheft mit Buchdeckeln und einer Schraubenbindung. Ich weiß noch, dass wir große Probleme hatten, nicht nur die nötigen Papiermengen, sondern zum Beispiel auch die Kunststoffschrauben für die Bindung zu beschaffen. Das vervielfältigte Liederheft gelangte zwar in viele Gemeinden, aber die Nachfrage nach ihm wurde immer größer. Ein paar Exemplare vervielfältigte ich noch mithilfe der alten, versteckt gehaltenen Matrizen, aber das reichte nicht aus. Die Jugend der ganzen EKBB und auch anderer Konfessionen wollte die allegorischen Protestsongs von Miloš Rejchrt, Svatopoluk Karásek, Bohdan Pivoňka und zahlreichen anderen Autoren singen. Unter den Liedern gab es auch viele Spirituals und Lieder mit Jazzrhythmen – ideal für Gitarrenbegleitung. Es waren natürlich keine Aufbaulieder und hohlen Protestsongs, sondern geistliche Lieder im eigentlichen Sinne, zu den Leitmotiven „Auflehnung und Ergebung“, „Buße und Bekenntnis“, „Freude und Hoffnung“, wie es einst Pavel Keřkovský in einer evangelischen Samisdat-Schrift formulierte.

Über Freunde wurde verabredet, das Liederbuch in den Niederlanden herauszugeben, es mit Noten zu versehen, besser als die von uns vervielfältigten Exemplare, und vor allem – nicht nur mehrere hundert, sondern einige tausend zu drucken. Ich glaube, Bohdan schrieb für diese Ausgabe die Noten und Akkorde. Honza schrieb die Texte unter die Notenzeilen. Ein Musterexemplar wurde nach Holland gebracht. Die Autoren der Liedtexte wurden absichtlich nicht angegeben. Dass wir vergessen hatten, uns einen Namen für das Liederbuch auszudenken, war dagegen keine Absicht gewesen. So nahmen sich unsere ausländischen Freunde dieser Aufgabe an und fanden eine einfache und geniale Lösung. Nach einiger Zeit wurden die ersten Liederbücher mit dem Titel Nová píseň (Das neue Lied) in halbfesten Einbänden mit blauen Streifen heimlich aus den Niederlanden zu uns gebracht. „Dir sei Ehre, der du auferstanden bist“ war das Lied mit der Nummer 1 und „Wer niederkniet, sieht weiter“ mit der Nummer 169 war das letzte Lied.

Dieses „wohlfeine Gesangbuch“ war Ende der siebziger Jahre und in den achtziger Jahren unter den Jugendlichen das beliebteste Liederbuch. Ich bin davon überzeugt, dass es (nicht nur) in der evangelischen Jugend eine sehr positive, ja eine regelrecht konfirmierende Rolle gespielt hat.

Bohdan Pivoňka ergänzt

Wir waren dabei, das bedeutet aber nicht, dass wir uns nach so vielen Jahren noch an genügend Fakten erinnern. Ich habe beide Ausgaben des Liederbuchs vor mir: die ursprüngliche, ohne Noten, in harte Pappdeckel gebundene, mit weißen oder durchsichtigen Buchschrauben aus Kunststoff, und das gestreifte Neue Lied. Ich werde also eher nur ein paar Eindrücke beisteuern, die mit den Liederbüchern verbunden sind.

Den Zeitpunkt der Herstellung würde ich am Anfang der siebziger Jahre ansetzen. Wir waren kurz vor der sowjetischen „Bruderhilfe“, im Juli 1968, nach Svratouch gezogen. Am 1. 12. 1968 wurde ich in Svratouch zum Pfarrer gewählt. Ich meine, dass man mir kurz danach die Senioratsjugend aufbürdete, denn ich leitete im Juli 1969 einen Senioratskurs für Jugendliche in Borová (das weiß ich, weil am 10. 7. 1969 mein Schwiegervater starb und mich diese Nachricht in Borová erreichte). Vielleicht noch etwas Interessantes: Für diesen Senioratskurs schrieb ich eines meiner Lieder, das später wohl recht erfolgreich wurde: „Ich weiß nicht Herr, was ich dir geben soll …“ (NP 12).

Ich erinnere mich an die Zusammenstellung dieser ursprünglichen, hektografierten Liederbücher. Pavel druckte sie, das ist klar. Ich besorgte die Texte, schrieb die Matrizen usw. Interessant war, dass ich in Svratouch durchsetzte, dass für die Gemeinde eine Schreibmaschine der Marke „Consul“ gekauft wurde, die eine lange Walze besaß. Das war notwendig, um die Matrizen im Querformat beschreiben zu können (es waren zwei Spalten nötig!), und zwar mit einer sparsamen, recht eigenartigen Schriftart ohne Serifen. Wie mir das gelungen ist, weiß ich nicht, wohl wegen meines traditionellen Hangs zum Manipulieren. Dank dieser Besonderheit kann man die Herkunft der Texte ermitteln. Sowohl in den alten Liederbüchern als auch im Neuen Lied ist die Schriftart gleich. Ich spiele mal Kriminalist[4] – achten Sie auf den Buchstaben „j“, der ein wenig nach rechts geneigt ist. Nach meinem Dafürhalten habe ich bei den alten Liederbüchern, die Pavel vervielfältigte und Honza zusammenstellte, die Texte auf die Matrizen geschrieben. Ich erinnere mich, dass wir keinen so starken Locher hatten, der einen ganzen Band lochen konnte, sodass Honza zu diesem Zweck eine Handbohrmaschine verwendete. Auch die Plastikschrauben waren zu lang und mussten abgezwickt werden.

Bei dem Neuen Lied, das in den Niederlanden gedruckt wurde, schrieb ich, glaube ich, den Text unter die Noten; die Noten schrieb ich also nicht, das entspricht nicht meinem Stil – siehe Anhang. Wer die Noten schrieb, weiß ich nicht, vielleicht jemand aus der Jungen Gemeinde Jimramov – Honza dürfte das wissen. Auch der handgeschriebene Zusatz (151–169) hat vielleicht diesen Ursprung – das sollen die Brüder beurteilen.

Die Notenvorlagen habe ich geliefert, das ist wahr, vielleicht hat sie dann noch jemand kontrolliert, das weiß ich nicht mehr. Ich habe jetzt in meinem „Hausarchiv“ (Berge von Papieren und Noten) gesucht, habe aber nicht viel gefunden. Natürlich kann das alles auch anders gewesen sein. Ich bewundere die Memoirenschreiber, die sich an alles genau erinnern. Mich hat Gott wohl so gern, dass er mich nicht so mit Marginalien aus der Vergangenheit peinigt. So weit meine wenigen Erinnerungen zum Liederbuch. Ich höre gern von den anderen.

Jan „Honza“ Keller ergänzt

Auch ich muss anmerken, dass ich zwar ein gutes, aber ein kurzes Gedächtnis habe, und dass außerdem die Vergangenheit in viel Wunschdenken eingehüllt und durch spätere Gefühle und Ansichten eingefärbt ist. Unsere Erinnerungen werden sich wohl unterscheiden, aber auf eines können wir uns sicher einigen: auf die Bedeutung dieser in den siebziger und achtziger Jahren komponierten Lieder, die sie für uns alle und für die Leute in unserem Umfeld hatten. Diese Lieder wurden in den Jungen Gemeinden viel gesungen, sie führten zu Diskussionen, mitunter erregte ihre Theologie die Gemüter, aber immer hatten sie etwas Verbindendes. Sie legten Zeugnis davon ab, womit man sich auseinandersetzte und woraus man Kraft schöpfte. Ich erinnere mich, dass manche Lieder in konkreten Situationen eine seltsame Euphorie, Begeisterung, ein besonderes Erlebnis, zwischenmenschliche Nähe, einen Zusammenhalt hervorriefen – ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. (Zum Beispiel die tschechische Fassung von „We shall overcome“, gesungen auf dem Flur des Gerichts, inmitten der Stasi-Leute, als Svatopluk Karásek und andere in Handschellen abgeführt wurden. Die Lieder, die in Jimramov bei einem Nachmittagskonzert erklangen, vor dessen Aufführung wir gewarnt wurden, dass uns danach eine Untersuchung erwartet. In Zbytov sang die Jugend – halb mit Angst, halb mit mutigem Selbstbewusstsein – vor den Polizisten in Uniform, die gekommen waren, um festzustellen, was dort vor sich geht, auch eines der Lieder, ich erinnere mich nicht mehr, welches. Und sicherlich gab es noch sehr viel mehr solcher Momente und Situationen.) Das waren Ereignisse, die immer einen tiefen Eindruck hinterließen. Die Lieder drückten das aus, was man mit Worten nicht hätte sagen können, oder besser, was zu sagen man nicht den Mut gehabt hätte. (Ja, aber nun bin ich ins Plaudern gekommen.) Über das Liedschaffen, über die Bedeutung und Theologie der Lieder der sechziger, siebziger und achtziger Jahre hat bereits Pavel Keřkovský eine perfekte Analyse verfasst.

Nun aber endlich zum Liederbuch. Ich erinnere mich, dass bei unserer gemeinsamen Entscheidungsfindung über die Form dieses Liederbuchs gleich zu Anfang gesagt wurde, dass das Buch nicht redigiert wird – es wird geöffnet und es werden Lieder aufgenommen, die von der Jugend angenommen werden und die sie gern singen wird. Um eine Richtung vorzugeben, nahmen wir als erstes „Dir sei Ehre“, den Hymnus der evangelischen Arbeitseinsätze, hinein. (Damals war dieses Lied noch nicht im evangelischen Gesangbuch.)

Wann das begonnen hat? Ich weiß es nicht. Das einzige belegbare Datum, das ich habe, ist das Datum einer Postanweisung vom 6. 5. 1978, mit der ich einem volkseigenen Betrieb in Vrbno pod Pradědem 208 CSK für Buchschrauben anwies, die zum Binden der Liederbücher dienten. Das war aber schon für die zweite Lieferung. Die erste Bestellung lautete auf 1000 Stück zu je 45 Hellern, insgesamt also 450 CSK. Aber diesen Betrag bezahlte damals die Kirchengemeinde Jimramov und das Datum ist mir nicht bekannt. Dieses Datum würde über die Entstehung des Liederbuchs Aufschluss geben. Ich weiß also gar nicht, wann die ersten Liederbücher entstanden sein könnten… 1974? 1975? Oder auch früher?

Wie die Liederbücher entstanden sind, habt ihr alles in allem übereinstimmend mit meinen Erinnerungen beschrieben. Ja, das war im Pfarrhaus in Proseč. Wir haben die Vorlagen für die Lieder so zusammengestellt, wie sie von verschiedenen Seiten zusammengetragen wurden, und dann entschieden wir gemeinsam, welche Lieder unter den jungen Leuten „angesagt“ sind und in das Liederbuch aufgenommen werden sollen. Die Lieder schrieb Bohdan mit seiner Breitwagenschreibmaschine auf Matrizen (diese waren erstaunlicherweise damals frei verkäuflich), Pavel vervielfältigte sie auf dem Gerät des Seniorats und ich habe wohl damals die ausgedruckten Seiten durchgesehen bzw. zusammengestellt. Meinen Aufzeichnungen zufolge wurden damals 400 Exemplare vervielfältigt. 350 waren für konkrete Abnehmer bestimmt – Gemeinden und Einzelpersonen: Telecí 30, Svratouch 50, Jimramov 50, Borová 15, Proseč 25, Polička 11, Rut Sládková 16, Bob Hašlerka 50, Senior Ruml 10, Sněžné 20, Veselí 12, Hrubá Vrbka 20, Sázava 10, Hradec Králové über Daník Pfann 10, Daňkovice 10, Prosetín 20, Mirek Dus 3. Etwa 50 ungebundene Liederbücher blieben ungenutzt in einer Kiste. Die erste Ausgabe umfasste 52 Lieder. Dann folgte jeweils nach einer bestimmten Zeit, wenn sich wieder neue Lieder angesammelt hatten, eine Ergänzung: zunächst die Lieder 53–58, danach 59–70, dann 71–88 und schließlich 89–143. Die letzten Lieder könnten etwa 1980 ergänzt worden sein. Mehr Lieder gab es in dem hektografierten Liederbuch nicht.

Die Liederbücher mit den 52 ersten Liedern fügte tatsächlich die Junge Gemeinde Jimramov zusammen, aber auch andere junge Leute, die uns ab und zu besuchen kamen. Die A4-Blätter wurden gefaltet, dann wurden auf dem Tisch einzelne Häufchen gebildet und die Anwesenden gingen um den Tisch herum und vervollständigten die Liederbücher. Es wurden die Buchdeckel und die Zwischenringe hinzugefügt, die Deckel wurden mithilfe von Schrauben zwischen zwei Kanthölzer gepresst und mit einer Bohrmaschine wurden die Löcher für die Buchschrauben aus Kunststoff gebohrt. Das machte ich selbst, aber danach wurde es wieder ein Gemeinschaftswerk. Die Schrauben wurden, wie Bohdan schon sagte, eingekürzt, denn wir hatten nicht die richtige Länge bekommen, und schließlich wurden in geselliger Runde die Liederbücher zusammengeschraubt und in Kunststoffhüllen gesteckt. Viel Arbeit gab es auch mit der Herstellung der Buchdeckel. Für sie verbrauchten wir 56 Rollen Teppichband.

Die Anhänge zum „Neuen Lied“ wurden dann auf Bestellung versandt. Sie mussten von jedem selbständig hinzugefügt werden. Mit Zunahme der Seiten wurden die Zwischenringe weggeworfen. Ich habe auch Notizen zur Bezahlung des Materials. Nun bekenne ich mich zu einem Betrug, an dem ich gemeinsam mit der Konsumgenossenschaft JEDNOTA beteiligt war. Von den Verkäufern in Jimramov bekam ich leere Kassenzettel mit Stempel und Unterschrift und diese füllte ich nach Bedarf aus und gab sie den einzelnen „Abnehmern“ der Liederbücher, sodass sie die Bücher aus der Kasse der Kirchengemeinde bezahlen konnten. Insgesamt wurde für die Liederbücher Material im Wert von 2469 CSK gekauft. Ein Liederbuch kostete (ohne die Arbeitsleistung) 5,85 CSK.

Was Das neue Lied betrifft, habe ich etwas andere Erinnerungen als Bohdan. Ich denke aber, dass sie recht genau sind. Im Jahr 1981 trat ich im September eine Pfarrstelle in Černošín an. Im ersten Jahr an diesem Ort schmollte ich ein wenig, denn ich war in Gedanken noch immer in Jimramov, und so suchte ich mir eine Arbeit, bei der man nicht viel nachdenken muss. Ich borgte mir von Bohdan seine erstklassige Schreibmaschine, die eine schmale, platzsparende Schrift hatte, und ich tippte mehrere Monate lang auf ihr das Liederbuch ab und brachte schließlich dank Bohdan die Arbeit zu Ende, weil er mich zur Eile trieb, denn er wollte seine Maschine zurück. Bohdan ist tatsächlich ein guter Krimineller,[5] der Buchstabe „j“ erklärt tatsächlich alles, nur der Apostroph ist in den beiden Liederbüchern unterschiedlich. Das deutet vielleicht darauf hin, dass es verschiedene Schreiber gab, die unterschiedliche Zeichen verwendeten.

Von den einzelnen Autoren besorgte ich mir die Noten mit den Akkorden, manche hatte ich auch schon in anderen Samisdat-Liederbüchern gefunden. Auf A5-Blätter malte ich die Notenzeilen[6] und schrieb die Noten so hinein, dass die Worte darunter passten. Danach ergänzte ich die Akkorde. Weil ich davon ausging, dass auch ich das Liederbuch verwenden werde – und ich kann nicht ohne vorgegebene Akkorde begleiten –, schrieb ich, wenn möglich, alle Strophen zwischen die Notenzeilen. Ich war aber nicht der Einzige, dem diese Form später willkommen war. Und nachdem seit dem letzten Anhang wieder eine Weile vergangen war und es schon wieder neue Lieder gab, ergänzte ich das Liederbuch bis zur Nummer 150. Die Liednummern schrieb Marta. Meine Vorstellung war damals die, dass ich die einzelnen Liedseiten abfotografiere und sie dann auf Fotopapier vervielfältigt werden.

Das begann man dann auch in gewissem Maße so zu machen, aber es wurde nur damit begonnen. Wir fotografierten die Lieder auf dem Ständer des Fotovergrößerers mit einer Leica ab und begannen danach, sie zu kopieren, wobei wir die Vorstellung hatten, etwa 20 (oder 30, 40?, das weiß ich nicht mehr) Kopien anzufertigen. Ich kaufte eine große Menge Fotopapier der Marke „Dokument“ (bis heute habe ich ganze Pakete davon mit dem Verfallsdatum 1986) und verbrachte mit den Kindern viele Stunden in der Dunkelkammer. Wir hatten circa 20 Seiten produziert (und etwa 400 Blatt Fotopapier verbraucht), als uns die Nachricht erreichte – vielleicht überbrachte sie uns Pavel Kalus –, dass die Möglichkeit besteht, das Liederbuch im Ausland herauszugeben. Darüber weiß ich aber sehr wenig, ich interessierte mich auch nicht dafür. Ich wusste, dass wir das Original des Liederbuchs hergeben müssen, aber für den Fall, dass es schiefgeht, hatten wir alles fotografiert.

Und dann kam plötzlich die Nachricht, dass der Tag für die Übergabe der Vorlage für das Liederbuch schon feststeht. Wir fuhren mit dem Original nach Zbytov, wo uns Pavel Kalus erwarten sollte. Dort fügte ich schnell noch die letzten 19 Lieder an. Es war keine Zeit mehr, die Schreibmaschine von Bohdan zu borgen, und auch keine Zeit, den Text auf der Maschine abzutippen, von Hand ging es schneller. Während ich die letzten Lieder schrieb, stellten Honza Litomiský und mein Sohn Filip das Inhaltsverzeichnis zusammen und schrieben es mit einer normalen Schreibmaschine, die in Zbytov zur Verfügung stand, was man auch erkennt, wenn man nicht Kriminalist ist. Dann fuhr Pavel Kalus mit einem Päckchen mit 180 A5-Blättern weg, ohne dass wir wussten, wohin …

Eine Zeit später kamen dann die Liederbücher schon bei uns an, in schwarzen Müllsäcken, was ein großer Irrtum der Holländer war, die dachten, dass schwarze Müllsäcke unauffällig sind. Sie ahnten nicht, dass bei uns aller Müll immer noch unsortiert in Mülltonnen geworfen wurde und wir schwarze Säcke nur von den Sendungen mit geschmuggelten Büchern kannten. Und die fielen auf den ersten Blick auf. Aber sie hatten ein großes Werk getan – die Holländer und all die mutigen Schmuggler.

So, das wird wohl alles gewesen sein, was ich weiß. Mich würde interessieren, ob sich ein Beleg findet, der über das Entstehungsjahr dieses Liederbuchs Aufschluss gibt. Die größte Zeitspanne für die Entstehung ist irgendwann zwischen 1972 und 1976. Ich schicke diesen Bericht noch meinen drei älteren Kindern, vielleicht korrigieren sie mich oder ergänzen etwas. Ansonsten habe ich noch viele unbenutzte Buchdeckel, Buchschrauben, Kassenzettel, die ganze Buchführung und die Lochvorrichtung für das Liederbuch.

Nun sollen sich noch Pavel Kalus und Pavel Keřkovský äußern!

 

Pavel Kalus ergänzt

Endlich komme ich zum Liederbuch Das neue Lied und dazu, was ich darüber weiß. Genau, wie du geschrieben hast: Schreib deine Version auf. Ja, wir kannten alle unseren Teil der Geschichte, und was nicht notwendig war, wollten wir auch gar nicht wissen. Was wäre gewesen, wenn es die Stasi-Leute hätten wissen wollen und wenn ich dann jemandem mit dem Berichteten geschadet hätte? Man durfte nicht einmal in sein Notizbuch schreiben, wer wann wohin kommt, was er mitbringt, für wen das bestimmt ist, was man denkt. Auch das wäre gefährlich gewesen. Wenn ich Kontakte zu Ausländern hatte, musste ich zum Beispiel ein Treffen oder mehrere nacheinander mit mehreren Leuten drei Monate im Voraus vereinbaren. Das hätte ich mir nicht gemerkt und so notierte ich mir Zeichen, und zwar jeweils zwei Tage und zwei Stunden früher. Wenn ich mich mit jemandem am Mittwoch, um fünf hätte treffen sollen, dann trug ich im Notizbuch ein Zeichen am Montag, um drei ein. Wenn ich jetzt nach zwanzig Jahren in mein Notizbuch schaue, finde ich dort so viele Zeichen, dass ich nicht mehr weiß, was sie bedeuteten und woran sie mich erinnern sollten. Genauso ist das auch mit dem Herstellungspreis pro Liederbuch und mit der hergestellten Menge. Damals wusste ich das, aber heute kommen mir Sachen in den Sinn, die ich lieber nicht laut sage, denn ich bin nicht Šimsa, der sich alles merkt …

Ich nenne also lieber auch keine Jahreszahl. Aber es war im Herbst, wir saßen mit Henri Veldhuis und Jan Kraaijeveld im Pfarrhaus in Prosetín und unterhielten uns über das Leben. Hebe Kohlbrugge hatte sie für das tschechisch-niederländische Gespräch und die Zusammenarbeit im Ringen um die Wahrheit gewonnen und so begannen sie, in die Tschechoslowakei zu reisen. Wenn sie selbst nicht zu uns reisen konnte, schickte sie diese beiden. Zunächst waren sie noch Theologiestudenten, später junge Pfarrer. Wir sprachen über das Leben hier und dort und gelangten gemeinsam zu dem Schluss, dass neue Farbe für das Kirchendach eine gute Sache ist, dass aber gute Bücher, Bibeln und Liederbücher wichtiger sind. Sie erziehen die Menschen und öffnen den Weg in die Zukunft. Ein Dach kann man immer streichen oder neu machen, oder es ist gar nicht nötig. Aber das, was in uns Menschen ist, lässt sich nicht ersetzen. Und so sagte Henri, als er unsere maschinengeschriebenen oder die hektografierten Jugendliederbücher aus Proseč und Jimramov sah: „Ihr könntet ein Liederbuch gebrauchen.“ Ich war sofort dabei. Honza Keller bereitet doch eine überarbeitete Version vor, könnte man die nicht verwenden? So fuhren wir abends nach Zbytov, sprachen noch einmal über die Liederbücher und Honza zeigte als Muster einige Vorlagen, stärkere Blätter, auf denen im Querformat die Texte mit der Maschine und von Hand die Noten und Akkorde geschrieben waren. Die Blätter gaben das Format für das Liederbuch vor. Jan und Henri überlegten, dass es möglich wäre, von ihnen auszugehen, die Druckerei wüsste sich sicher zu helfen. Ich weiß nicht, wie viele Lieder damals noch fehlten. Magdalena, Honzas Tochter, schrieb dann fleißig Briefe. So bekamen Jan und Henri bei ihrem nächsten Besuch in Zbytov ein in Zeitung gewickeltes Paket mit Liedern. Jan hatte sie bei uns in Prosetín abfotografiert. Die Originale wollten sie nicht mit über die Grenze nehmen. Sie wurden, denke ich, von Sybe Visser, einem Biologiestudenten, der ein Jahr in Prag studierte, abgeholt. Er brachte sie über die Grenze. Wir hatten keine Vorstellung davon, wie das Liederbuch aussehen wird. Für uns ging das damals alles ein bisschen schnell, und so hatten wir weder über einen Titel noch über die Grafik oder die Angaben zu Verfassern und Komponisten nachgedacht. So weit ich mich erinnere, stand dahinter nicht die Absicht, die Autoren zu decken. Wir hatten vor allem ein Liederbuch vor Augen, in dem wir alle unsere wunderbaren und immer wieder gesungenen Lieder beisammen hätten.

Jan Kraaijeveld verhandelte mit der Druckerei. Peter Morée musste vor seinen Freunden in den Niederlanden rechtfertigen, dass in das Liederbuch auch das Lied „Dir sei Ehre“ aufgenommen wurde, obwohl es auch in den offiziell herausgegebenen Liederbüchern zu finden war (also im Kirchengesangbuch und in Rejchrts „Buď tobě sláva“). Er gab dem Liederbuch auch seinen Namen Nová píseň (Das neue Lied), denn in der Druckerei wurde klar, dass das Buch einen Namen brauchte. Es wurden aber keinerlei andere Angaben aufgeführt. (Anders als bei Novotnýs Wörterbuch, wo angegeben war: Edice Kalich 1956, Praha; und nie verwunderte die Zöllner, wo in Prag 1956 ein vollendeter Kunststoffeinband hergestellt worden sein soll). Honza Keller äußerte dann einmal, dass das eines der Dinge ist, die er beim nächsten Mal anders machen würde. An seine anderen Anmerkungen kann ich mich aber nicht mehr erinnern, vielleicht habe ich damals nicht nachgefragt oder ich habe sie in der Zwischenzeit vergessen. Einige Jahre nach der Samtenen Revolution besuchte ich Jan in Oss und bei meiner Abreise aus den Niederlanden übergab er mir einen riesigen Umschlag mit den Folien aus der Druckerei: Die würden wohl nicht mehr gebraucht – also zur Erinnerung … Ich übergab sie in Zbytov an Honza, und als ich dieses Jahr danach fragte, sagte er mit seinem typischen Lächeln, sie seien überall im Weg gewesen und so habe er sie schließlich weggeworfen. Wo die festen Blätter, die Vorlagen, hingekommen sind, weiß ich nicht.

Ich erinnere mich, wie bewegt ich war, als ich das Neue Lied zum ersten Mal sah und als wir in Zbytov vor den Büchern beisammensaßen. Dann wurde die gesamte Auflage – wie gesagt, ich weiß nicht mehr, wie groß sie war (wenn ich Jan treffe, frage ich ihn, ob er sich daran erinnert) – zu uns nach Böhmen und Mähren gebracht bzw. geschmuggelt. Vladimír Kalus warf seine Netze aus und so wurden nachts in einigen Pfarrhäusern und Wohnungen Büchersendungen aus den Niederlanden entgegengenommen. Als Betriebskraftfahrer kam er in der ganzen Republik herum und versandte die Liederbücher mit erfundenen Absendern von verschiedenen Postämtern aus. Bei seiner letzten Autofahrt hatte er einige Pakete im Kofferraum. Nachdem er einen Unfall hatte, bekam er gleich am nächsten Tag Besuch von der Stasi, woher er die Bücher habe, und so sagte er ihnen, sie seien ihm vor dem Pfarrhaus von einem Mann mit polnischem Akzent angeboten worden. Im Unfallbericht gab es mehr Fotos von den Liederbüchern und der theologischen Literatur aus dem Kofferraum als vom Unfallort und dem kaputten Fahrzeug.

Das Liederbuch wurde viel genutzt. Wir sangen gern daraus. Auch wegen seines Formats nahm ich es noch lange Zeit mit zu Jugendveranstaltungen, bevor es vom sehr viel dickeren und besser aufzuschlagenden Liederbuch Svítá (Es tagt) verdrängt wurde.

Ich danke Honza Keller dafür, dass es das Neue Lied gegeben hat. Mit meinem Bericht habe ich noch einige Namen von Personen ins Spiel gebracht, an deren Stelle, wenn sie nicht gewesen wären, andere hätten treten müssen, mit denen das Liederbuch aber anders geworden und anderswo erschienen wäre. Und ihnen, den Erwähnten und auch den mir nicht Bekannten, möchte ich danken.

Aus ganz wenig kann viel gewonnen werden, für eine ganze Generation. Man muss nur weise entscheiden, in was man das Wenige investiert (in Gebäude oder in Menschen).

Aus dem Abstand heraus wird uns auch klar, dass Zeiten der Unterdrückung Lieder hervorbringen. Danke dafür!

Und jetzt gehört es sich, noch hinzuzufügen, dass es zur Ehre Gottes und zu unserem Nutzen geschehen ist.

Pavel Keřkovský ergänzt

(Das Liedschaffen und die Theologie der neuen Lieder aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren)

1. Evangelische Samisdat-Schriften – „Das neue Lied“

Händels Jubellied „Dir sei Ehre“ (im deutschsprachigen Raum als Adventslied unter dem Titel „Tochter Zion“ bekannt, in Tschechien und anderen Ländern aber ein Osterlied, Anm. d. Übers.), das aus dem Evangelischen Gesangbuch (EZ 346) übernommen wurde, steht am Beginn des Samisdat-Liederbuchs Das neue Lied: „Dir sei Ehre, der du auferstanden bist, Macht des Todes ist gebrochen, Christus der Sieger ist.“ Seine Botschaft und seine Melodie sind für die Serie von 169 Liedern signifikant. Die Autoren des Liederbuchs deuten an, für wen die Lieder bestimmt sind: „Schöpfe Mut zum Kampfe, oh du Häuflein klein.“ Das Lied verweist auf das Wirken von Christi Auferstehung: „nun hat festen Glauben, wer voll Angst zuvor.“ Die Sänger hören und bestätigen durch ihren Gesang die Hoffnung auf die Erfüllung der gesungenen Verheißung: „Denn den Sieg erringt, wer leidet so wie er, sein sind Ruhm und Leben, fürcht’ mich nun nicht mehr.“ Nicht nur neue, sondern auch alte und bewährte Lieder eröffnen dem Gläubigen die persönliche und gesellschaftliche Dimension des Glaubenslebens. Aus ihnen spricht das prophetische Wort vom Ringen mit der persönlichen und von gesellschaftlichen Kräften ausgelösten Angst – das weckt sicherlich in jedem ein Echo, der dieses klassische evangelische Lied mit dem rechten Verständnis singt. Das Wirken des Auferstandenen erhellt das gesamte persönlich-gesellschaftlich-kirchliche Glaubensleben.

Händels freudvolle Melodie bestimmte den Grundton des Liederbuchs Das neue Lied, das diesen freudigen Staffelstab weitergab, denn Das neue Lied bildete auch den Grundstock für das Nachwende-Liederbuch Es tagt. Dank des freudig-hoffnungsvollen Vorzeichens tritt der Charakter aller neuen Lieder zutage, die von den Autoren des Liederbuchs aus dem reichen kirchlichen Liedgut jener Zeit ausgesucht wurden. Sie wählten Lieder aus, die dankbar und mitunter auch bittend auf Gottes Ruf antworten, den die Liedautoren in ihrem Ringen um ein Leben im Glauben vernommen haben. Die Lieder bezeugen, dass wir vor dem Angesicht Gottes leben, unabhängig davon, welche geschichtliche Epoche wir durchlaufen: „Ich kenn’ Zeiten, da bist du traurig, und ich weiß, wie es ist, wenn um dich alles wüst und tot und du bedrängt von Atemnot.“ Die Zeit wird als eine schlimme Zeit charakterisiert, in der dem Menschen die Kräfte und der Atem ausgehen. Eine ähnliche Darstellung der Gegenwart finden wir in einem mittelalterlichen Brüderlied: „In solch g’fährlichen Zeiten, Brüder, lasst uns ihm singen Dankeslieder“ (EZ 397). So wie der mittelalterliche Lieddichter seine Angst überwand und seine dankbare Aufforderung aussprach: „lasst uns ihm (Gott) singen Dankeslieder“, so überzeugt auch der Verfasser aus unserer Zeit die Sänger von Gottes Wirken mit seiner fröhlichen Melodie und den Worten: „Ich kenn’ Jahre voll Licht, wo dir Speise und Trank mangeln nicht, wo Wachstum und Ernte du preist, wo reich und beschenkt du dich weißt.“ Deshalb blicken der Verfasser und die Sänger vertrauensvoll in die Zukunft, denn sie haben Erschöpfung und Enttäuschung, die der Liebe den Raum nehmen, schon überwunden (NP 52, S 21). Sie singen nicht resigniert, sondern voller Vertrauen: „Jahr um Jahr gehen ins Land, Jahr um Jahr in deiner Hand, meiner Tage flüchtiges Band leg’ ich in deine liebende Hand“ (NP 105, S 286). Das geschichtlich-providentielle Vertrauen in Gottes Wirken kommt im Lied „Jahr für Jahr“ in der dritten Strophe noch deutlicher zum Ausdruck: „Mit dem letzten Atemzug fass’ ich nach der Hand, die mich trug, die stärker ist als mein Vertrau’n, ein neues Land werd’ ich dann schaun’.“ In Gänze widmen wir uns der Botschaft dieser Strophe erst ganz am Ende dieses Rückblicks auf das Wirken der neuen Lieder in der Kirche, namentlich in der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder.

2. Die prophetisch-dogmatische Dimension der neuen Lieder

Das neutestamentliche Gottesdienstverständnis rechnet mit Gottes Gegenwart, die wir an jedem Ort bei der Verkündigung erleben können. Deshalb sprechen die neuen Lieder (die brüderischen und andere eingeschlossen) Gott, Christus und den Heiligen Geist an: „Komm doch zu uns, Geist des Schöpfers, der Versöhnung Geist, verwandle unsre Welt von Grund auf, wie dein Geist verheißt – Heil’ger Geist, durch deine Macht in der Liebe mach uns neu, sei bei uns mit deiner Hilfe, Friede mit uns sei.“ „Die neuen Lieder“ (Nová píseň – NP) nehmen die gesellschaftlichen Probleme auf prophetische Art und Weise wahr, denn die Gläubigen leben nicht außerhalb der Gesellschaft. „Die neuen Lieder“ führen einen Dialog mit ihrer Zeit und verwenden dafür auch prophetische, weisheitliche und neutestamentliche Motive. Es geht also um Thora, d. h. um Lehre, z. B. erklären sie die Funktion des Heiligen Geistes – sein Wirken in der kirchlichen und weltlichen Sphäre. Sie erklären seine universelle Funktion – und bitten „nähere die Völker einander an“. Der Verfasser lehrt, welche Vorurteile und Barrieren die Gläubigen überwinden sollen: „Wecke das abgestumpfte Gewissen“. Das Lied „Erwecke mit deinem Atem die dürren Knochen“ vergleicht die Hoffnungslosigkeit der „Normalisierung“ mit der Hoffnungslosigkeit der babylonischen Gefangenen und er hofft mit dem Propheten Hesekiel, dass auch in unserem „Tal die Toten auferweckt werden“. Mit einer gehörigen Portion Humor keimt in den Sängern auch Hoffnung auf, wenn sie singen: Rippe, Kiefer, Schulter,/ Ellbogen, Knöchel, Knie,/ Rippe, Kiefer, Schulter,/ und schon laufen sie,/ es klappert und es rasselt,/ und schon laufen sie“ (NP 82; S 50).

Ziemlich oft ist aus den Liedtexten eine vertrauliche Anrede zu vernehmen: „Ich werde gehen, oh Herr, wenn du mich sendest. Zu meinem Priester, zu meinem Herrscher, … zu denen, die richten, die alles wissen, … zu denen, die deine Kirche bilden, und so werde ich gehen, wenn du mich sendest“ (S 331). Der Verfasser lädt mit seinem Lied, einem gesungenen Gebet, zur persönlichen Verantwortung des Glaubenslebens ein. Milan Mrázek[7] – ein Pfarrer und Religionsphänomenologe aus Brno (Husovice) – kommentierte einige Lieder bei den Jugendbibelstunden: „Es geht um das prophetische Lied und es ist gut, dass das prophetische Lied wieder auflebt.“ Die prophetische Thora sollte die ganze Kirche hören, nicht nur junge Leute und Kinder. Aus dem Text wird auch heute noch deutlich, dass es sich um ein Lied handelt, dass zu Gott hin offen ist. Es geht um ein prophetisches Gebet, das ohne das Bewusstsein der Nähe Gottes bei allen Sängern keinen Sinn hätte. Es geht um den persönlichen Einsatz des Einzelnen, der auf eigene Faust verkündet, was im jeweiligen Augenblick zu verkünden ist. Deshalb wurde in „Das neue Lied“ auch eine wörtlichere Übersetzung des folgenden Spirituals „It‘s Me, It‘s Me, 0 Lord“ aufgenommen: „Ich bin es, oh Herr, ich stehe hier im Gebet … nicht meine Mutter, nicht mein Vater, sondern ich bin es … nicht mein Priester, nicht mein Herrscher, sondern ich bin es, ich stehe hier im Gebet“ (NP 24; S 333).

Die Lieder luden natürlich in die Gemeinschaft der Gemeinde ein, sie unterschätzen diese nicht. Sie wagten sogar, die Bitte zu verwenden, die spontan in der kleinen kirchlichen Gemeinschaft der Emmausjünger entstanden war. Durch die Bitte, die an den Auferstandenen gerichtet ist, entsteht eine Gemeinschaft der Bittenden, Lobenden und die Wahrheit Tuenden: „Bleib bei uns, Herr, wenn es dunkelt, bleib bei uns, der Tag hat sich geneiget“. Die Verfasser und Sänger bitten um Christi Gegenwart und um eine Verwandlung ihrer Geisteshaltung: „Öffne die Augen, welche Dich nicht schauen, nur Täuschung kennen, die Wahrheit mieden, wecke du in uns kindliches Vertrauen, sprich zu uns, Herr, und schenke uns Frieden“ (NP 146; S 401).  

Das Neue an den neuen Liedern – auch an dem Lied von Händel und an vielen „alten“ Brüderliedern, einschließlich der Lieder von J. A. Comenius – besteht in der Freude und der Hoffnung, im Suchen und in der Bitte, die Ratlosigkeit zu überwinden. Durch das Lied lernt der Sänger, seine Angst vor dem Tod, seine Verzweiflung und die Angst vor dem Menschen, der menschlichen Böswilligkeit und der dummen Willkür der Mächtigen zu überwinden. Es geht um die Überwindung der Angst vor Schwierigkeiten und Fallstricken, sodass der Mensch ganz normal in Gemeinschaft mit den anderen leben kann. Machen wir uns bewusst, dass die Verfasser des Liederbuchs bereits in dieser Hoffnung lebten. Deshalb drehte Pavel Hlaváč die Kurbel des Vervielfältigungsgeräts für den ersten Prototypen des Liederbuchs Das neue Lied, das dem niederländischen Wunderwerk vorausging, aber dieselbe Struktur hatte, wie der Urheber der Vorlage, Jan Keller, und einer der Liedautoren, Bohdan Pivoňka, beide damals Pfarrer im Seniorat Polička, bestätigen.

3. Die Versuchung der „Normalisierung“ und die Verheißung der Freiheit Das biblische Zeugnis von der Versuchung Jesu von Nazareth in der Wüste hat einen anderen Charakter als die Versuchung der christlichen Mönche in der Wüste. Mit dem Phänomen der mönchischen Reduktion der Versuchungen auf eine einzige, nämlich die sexuelle, setzte sich das Lied „Die Versuchung des heiligen Antonius“ (NP 89; S 207) auseinander, in dem der Verfasser eine große Skala von Versuchungen des modernen Menschen aufzählt. Auch der neutestamentliche Bericht über Jesu Versuchung ist nicht auf erotisch-asketische Versuchungen ausgerichtet. Der biblische Autor betrachtet als schwerwiegende Versuchungen gerade die gesellschaftlichpolitisch-wirtschaftlichen und messianischen Versuchungen, die mit dem religiösen Leben immer in unterschiedlicher Form verbunden sind. Der Verfasser des Liedes „Ehre erweise“ bietet dasselbe Heilmittel wie die biblischen Erzähler:

„Kommt der Teufel selbst zu dir, sollst auf Knien liegen, hab ich ein bewährtes Mittel, das hilft ihn besiegen. Macht und Ruhm, das Reich der Welt, alles flüstert er dir ein, gib zur Antwort einfach nur: nein und nein und nein.“ Der Lieddichter ist fast calvinistisch davon überzeugt, dass Gott allein Ehre gebührt. „Ehre erweise allein Gott, deinem Herrn.“ Der Verfasser hat im Gefängnis gesessen und weiß, wie Menschen bedrängt werden: „Nur mit Speck fängt man die Maus, eins plus zwei ist vier, unterschreib, mach dir nichts draus, öffnest dir die Tür. Doch ein Wort, das kann für dich Zauberspruch nun sein, gib zur Antwort einfach nur: nein und nein und nein“ (NP 163; S 37).

Eine gewisse Durchtriebenheit drang aus der Gesellschaft auch in die Kirche ein. Deshalb musste auch in der Kirche die Warnung vor den Einflüsterungen des Teufels in den alltäglichen Konflikten ausgesprochen werden: „Weich ruhig aus, Zeit kostet das nicht viel, denn über Nebenwege kommst eher du ans Ziel, warum denn immer durch die Wand, warum sie nicht umgeh’n, warum soll’t auf dem leeren Tisch denn plötzlich Manna steh’n?“ (NP 139; S 439). In der Zeit der „Normalisierung“ gab Jára Cimrman (eine überaus populäre fiktive tschechische Theater- und Filmfigur, Anm. d. Übers.) einen anderen Ratschlag: „Man kann auch kriechen, wenn man auf ein Hindernis trifft, aber anschließend sollte man sich wieder aufrichten!“ Das ist eine etwas andere Haltung. Trotzdem nennt auch diese Anleitung Cimrmans die Dinge beim rechten Namen und ist mit ihrem Ethos quasi auf halbem Wege zum rechten Ziel, etwa so wie das Liederbuch für Familiengottesdienste „Dir sei Ehre“, das auch offiziell von den staatlichen Behörden genehmigt war. Auf halbem Wege, denn im offiziellen Ethos des Liederbuches hatten die Texte mit den Bitten, die sich mit der Reinheit der gesellschaftlichen Beziehungen und politischen Verhältnisse befassten, keinen Raum: „Lass ab vom Alten, genug jetzt der Träume, die Welt ist im Wandel und Träume sind Schäume, der Wahrheit wegen sterben nur Toren, was gestern beschworen, ist heut’ schon verloren. Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen beständigen Geist“ (NP 139; S 349). Dennoch hatten die Autoren den Mut, ein Lied von Karel Trusina ins Evangelische Gesangbuch aufzunehmen, in dem das Eintreten für das Recht sowie die Verletzlichkeit und Überängstlichkeit der Protestanten thematisiert werden (EZ 500).

Kulturell aktive Menschen, und so auch die Urheber von Liederbüchern, mussten oft heimlich und schnell arbeiten, um nicht dabei ertappt zu werden. Sie schufen ihre Werke ohne Signatur und ohne den Ursprungsort anzugeben, um nicht nachträglich aufgespürt und verfolgt zu werden. Es genügte, dass die charakteristische Abweichung einer Type der betreffenden Schreibmaschine verraten konnte, auf wessen Maschine der jeweilige Brief, Artikel oder Liedtext geschrieben worden war. Wer im Eigenverlag veröffentlichte und in der alternativen Szene aktiv war, konnte sich nicht in einer Bruderkirche im Ausland für eine Weile von den Bolschewisten erholen – er genoss nicht deren Vertrauen und durfte nicht ausreisen. Zumindest Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre war es meistens so, dass nur bestimmte Leute ausreisen durften, obwohl es auch hier Ausnahmen gab, deren Zahl gegen Ende der achtziger Jahre zunahm. Einem bestimmten Teil der Gesellschaft war die Möglichkeit von Auslandsreisen völlig versperrt.

Die Freiheit, die man bei den verschiedensten Jugendtreffen, aber auch bei den Sonntagsgottesdiensten erlebte, wo neue Lieder aller Art gesungen wurden, war ein liturgisches Erlebnis, das denen, die heute auf der Suche nach einer reicheren und tiefgründigeren Liturgie sind, einen Fingerzeig gibt, worin die Wahrhaftigkeit und Stärke der liturgischen Bemühungen in den reformierten Kirchen bestehen. Es geht mir nicht um einen sentimentalen Rückblick auf die Entstehung der Lieder eines Samisdat-Liederbuches. Ich würde gern das Spezifische eines großen Teils der neuen Lieder herausarbeiten: die liturgische Verwendbarkeit dieser Lieder dank ihres prophetischen Charakters – darin wurzelt ihre Legitimität und die Wahrhaftigkeit ihres Bekenntnisses. Dieses Spezifikum trifft allerdings auch auf einige Lieder aus dem Evangelischen Gesangbuch zu, es ist also nicht nur eine Angelegenheit der Liederbücher Das neue Lied oder Es tagt. Die neuen Lieder, die brüderischen und einige andere haben eine prophetische Dimension.

4. Sehnsucht nach Freiheit

„We shall overcome“ heißt es in einem der amerikanischen Spirituals, die den Ozean überwanden und nicht nur bei den Protestanten heimisch wurden. Aus ihnen sprach die Sehnsucht nach Freiheit und Würde, Werte, von denen die Menschen in der Zeit der „Normalisierung“ träumten. Bürger zweiter Klasse waren alle, die sich nicht der führenden gesellschaftlichen Kraft anschlossen. Die Zweitrangigkeit der anderen war klar durch die Verfassung von 1960 festgeschrieben, praktisch erlebten sie schon nach 1948 all diejenigen, die sich nicht zur Staatsreligion der gesellschaftlichen Überlegenheit des Kommunismus bekannten und sich nicht dem Aufbau der „volksdemokratischen“ Gesellschaft widmeten. Unter der Führung einer einzigen Partei sollte eine bessere Gesellschaft aufgebaut werden und so wollte man einst zu einer klassenlosen, also harmonischen Gesellschaftsordnung gelangen. Durch den sowjetischen Einmarsch 1968 wurde die gesellschaftliche Überlegenheit der Kommunisten bestätigt und gleichzeitig war er die Bekräftigung dessen, dass hier die ungerechte sozialistische Klassengesellschaft auf ewig herrschen wird. Kein Gesetz konnte daran etwas ändern, auch nicht jenes berühmte Gesetz Nr. 120/1976, das die Menschenrechte betraf. Theoretisch galt es, und die Charta 77 und andere Bewegungen und Einzelpersonen setzten sich mit ihrem beispiellosen Engagement für seine Durchsetzung ein. Für die herrschende Elite war aber ihre eigene führende Rolle, die von der Verfassung garantiert wurde, entscheidend. Deshalb usurpierte der Staat auch dieses Gesetz, interpretierte es nach seinem Gutdünken und legte fest, worauf die Bürger ein Recht haben. Der Schlüssel für die Interpretation waren nicht die Freiheit und Würde des Menschen, sondern der aktuelle Wille des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, der auf den Aufbau einer sozialistischen Zukunft ausgerichtet war. Diesem Willen hatte sich auch die Sehnsucht nach Freiheit und Menschenrechten zu beugen. Die Zugehörigkeit zur Kirche machte jedes ihrer Mitglieder zu einer Person zweiter Klasse, ohne die Chance, etwas an diesen festen und polizeilich überwachten Lebenskoordinaten zu ändern.

Die afroamerikanischen Spirituals öffneten ein Fenster in Richtung Veränderung. Aus ihnen sprach die Sehnsucht nach der Befreiung aus dem Gefühl der Zweitrangigkeit und aus der faktischen gesellschaftlichen Diskriminierung. Mit dem Gesang stellte sich ein gewisser Einklang mit dem Grundgefühl der Afroamerikaner ein, die tiefgläubige Christen waren. Die Botschaft der afroamerikanischen Traditionals hatte erheblichen Einfluss auf die tschechische religiöse Tradition. Die Botschaft von Würde und Freiheit war auch schon früher zu hören gewesen – mitunter mit einem patriotischen Unterton: in der mittelalterlichen hussitischen Tradition. Der Ruf nach dem Recht auf Versammlungsfreiheit und die freie Predigt des Wortes Gottes war bereits von den hussitischen Denkern durchdacht und öffentlich ausgesprochen worden (Vier Prager Artikel, Confessio Taboritarum). Das Ringen des Einzelnen um den rechten Glauben und somit auch das Problem der Würde des einfachen Menschen wurden in Pamphleten und Predigten angesprochen (Postillen von Jan Hus, Jakobellus von Mies u. a.).

Die neuen gesellschaftlichen Koordinaten der modernen Gesellschaft wurden gerade in den Traditionals klar angesprochen. Die Sänger stiegen in den Zug Gottes ein, wo es keine zweite Klasse und keine unterschiedlichen Fahrpreise gibt („no second class aboard this train, no diff‘rence in the fare“), einen Zug, in dem alle Platz finden („get on board, little children, there‘s room for many a more“). Eine solche Einladung versteht jeder Konfirmand und auch jedes jüngere Schulkind. Man braucht keinen Doktor der Soziologie oder anderer Gesellschaftswissenschaften, um etwas über gesellschaftliche Schichten, Klassen, Schikane und Diskriminierung zu erklären. Das Lied erklärt mithilfe von Metaphern, die auch Kindern verständlich sind, die Mechanismen der Diskriminierung.

Eine Religion – eine gute Religion – hängt immer mit dem Thema Freiheit zusammen. Deshalb sang man auch von Mose, der sein Volk mit Gottes Hilfe aus der Gefangenschaft führte (NP 41; S 380 – Go Down, Mose). Es ist Gottes Wunsch, dass die Menschen frei sind. Es ist nicht nur ein törichter Wunsch unvorsichtiger moderner Aktivisten, die in der „normalisierten“ Kirche Unruhe stiften, die guten Beziehungen zwischen Staat und Kirche verderben und die sich für Verhandlungen öffnende Tür zuschlagen. Die Sänger und vor allem die Verfasser wurden als „problematisch“ bezeichnet. Ein Pfarrer sagte den Jugendlichen in der Bibelstunde, diesen Leuten läge die Kirche nicht am Herzen, und das, obwohl Jugendliche aus einer anderen Gemeinde mit ihrem Vikar zu Besuch waren. Diesem Pfarrer waren die neuen Lieder offenbar nicht genehm. Er konnte aber die jungen Leute, die neue Lieder von verschiedenen Jugendtreffen mit in „seine“ Gemeinde brachten, nicht an ihrem Tun hindern. So musste auch er sich daran machen, ein Gemeindeliederbuch mit neuen Liedern anzufertigen. Der Pfarrer nahm sie unter seine Fittiche, aber erst nach einigen kleinen Änderungen, die er als theologische Korrekturen durchsetzte. Er fürchtete, dass die jungen Leute beschuldigt werden, regimefeindliche Lieder zu singen. „Lasst euch nicht von der Herrschaft der Finsternis beirren“ musste geändert werden in „Lasst euch nicht vom Herrscher der Finsternis beirren“. Dann konnte man „ruhig“ – zumindest ab und zu – singen: „Kämpft, kämpft weiter.“ Heute könnte das lustig klingen, damals war es das nicht! Die jungen Christen standen vor einem Dilemma: Wem liegt die Kirche am Herzen und wer spaltet sie?  

Man sang von Josua, der Jericho besiegte, und mit Spott sang man von den profanen Herrschern und den Kirchenfunktionären, die ihnen nach dem Mund reden, die ohnehin nicht verhindern können, dass die Freiheit – wenigstens für eine Weile – an die Oberfläche dringt: „Brüstet euch nur mit eurer Stärke, baut euch ruhig Schlösser aus eleganten Worten, eure Mühen sind lächerlich, wenn man an Jericho zurückdenkt.“ Der Verfasser des Textes, Pavel Dvořáček, versah die biblische Geschichte darüber hinaus mit einem anderen Vorzeichen, indem er sie von allen Anzeichen der machtvollen, gewaltsam-militärischen Eroberung des Landes durch Josua befreite. Es ging ihm auch um das Bekenntnis, um das Recht auf Religionsfreiheit, die man sich tatsächlich nicht mit Gewalt erkämpfen kann. Man kann sie nur auf verschiedene Weise ertrotzen. Deshalb ist aus dem Liederbuch so ein starker Ruf nach einem gesellschaftlich-kirchlichen Wandel vernehmbar. Es spricht daraus die Sehnsucht nach religiöser und gesellschaftlicher Freiheit. Ausgesprochen wird auch eine Ermutigung zum gewaltlosen Widerstand, was immer schmerzhaft ist, denn die Spaltung der Kirche wird darin sichtbar (einige sind in der Position der Stärke, andere legen auf diese Art von Stärke keinen Wert und sind der Meinung, dass die Kirche auch ohne diese Stärke leben kann). Die Resistierenden müssen über diesen Zustand der Kirche sprechen, sie werden von der biblischen Botschaft dazu aufgerufen. Jeder Sänger muss dann für sich entscheiden, wie groß das Verständnis ist, mit dem er sich dem Ruf des Verfassers anschließt. Das Lied erwächst aus der Überzeugung, dass diese Beteiligung am Wortgefecht und an Konflikten dieser Art sinnvoll ist. Auf diese Weise entstand ein neues Bekenntnis, gestaltete sich die Kirche um und öffnete sich die Tür zur Einheit in der Vielfalt und in der Freiheit des Bekenntnisses – hier wurde nicht abgerissen, nicht zerstört, wenn auch Mauern zu Fall kamen, im Gegenteil: Hier sprach die Liebe zur Kirche und so ging die Kirche nicht zugrunde, sondern blühte auf und lebte.

5. Von der Messe zum reformatorischen Gottesdienst

Johann Amos Comenius schrieb für die künftigen Erneuerer der Brüderunität nicht nur sein Vermächtnis, sondern er sammelte, übersetzte und komponierte auch neue Lieder und ließ dann im niederländischen Exil 1657 ein Gesangbuch drucken. Es wurde zur Grundlage für weitere Herausgeber von Liedern des 18. bis 20. Jahrhunderts und so auch für das heutige tschechische Gesangbuch. Die Amsterdamer Gesangbuchausgabe von Comenius war besonders im dritten Teil, den „Gelegenheitsliedern“, erweitert worden, in denen viel von irdischen Dingen, von Angelegenheiten des alltäglichen Glaubenslebens gesungen wird. Mit diesen Gelegenheitsliedern stehen auch die Bitten einiger neuer Lieder im Einklang: „Lass morgens uns ruhig aufsteh’n und freudvoll an die Arbeit geh’n, dort deine Hilf’ und Liebe weitergeben und lass uns nicht in Ängsten schweben, wenn alles einhüllt Dunkelheit, dann schenk uns, Herr, Zufriedenheit, lass uns auf deine Kraft vertrau’n, dass du uns schenkst ein’ guten Traum“ (NP 6; S 228). Wir könnten noch viele andere ergänzen, von denen einige aus dem deutschsprachigen Bereich stammen („Danke für diesen guten Morgen“ – NP 7; S 45; EZD 638), andere sind tschechischen Ursprungs („Vergib“ – NP 10; S 233; EZD 688), den beiden Letztgenannten ist es gelungen, in den Anhang zum offiziellen Gesangbuch der EKBB aufgenommen zu werden.

Frömmigkeit hat in dieser Hinsicht auch für Comenius eine gemeindlichadorative und eine ethisch-gesellschaftliche Dimension. Gerade diese beiden Akzente bilden die Brennpunkte der kirchlichen Ellipse, so wie sie auch der psalmische und prophetische und somit auch „neutestamentliche“ Gottesdienst hat. Durch diese doppelte Akzentsetzung unterscheidet sich der reformatorische Gottesdienst von der mittelalterlichen Messe. Ziel des Messgottesdienstes ist die Begegnung und Vereinigung mit Gott. Das ist die klassische Auffassung, wie sie von vielen Mystikern und Scholastikern vertreten wird. Es geht um die Dimension der spirituellen Vereinigung mit Gott, wobei der Teilnehmer meditative Glückseligkeit und durch dieses Erlebnis im heiligen Raum den Gipfel der Frömmigkeit erlangt. Durch die Reformation in Böhmen und der Welt kam es zur Transformation der Frömmigkeit, eine Transformation der Messe eingeschlossen. Auch dem reformatorischen Gottesdienst geht es um die Begegnung mit Gottes Gegenwart in Christus (durch das Wort und das Sakrament des Abendmahls), aber der Gottesdienst endet nicht mit dieser Begegnung, sondern bildet die Grundlage und die Voraussetzung für die dankbare Aussendung in die ethisch-gesellschaftliche Sphäre – also in die Frömmigkeit des Alltags. Das ist der zweite Brennpunkt des Glaubens, der in den neuen bzw. prophetischen Liedern – also den hussitischen, brüderischen und auch den ganz neuen Liedern – thematisiert wird.

Konkret wurde die Messe zu einem spezifischen Gottesdienst umgestaltet, der neue geistliche Lieder, Lieder in der Nationalsprache, in die Liturgie aufnimmt. Das Lied wurde zum Katalysator der Transformation. In der Reformationszeit schrieben die Autoren neue Lieder, trugen alte Lieder zusammen, nahmen Bezug auf das Schaffen ihrer Vorläufer im Glauben – ihren didaktisch-bekennenden[8] Ruf zu Christus (EZ 307), schlossen sich ihrer Dankbarkeit und dem Lob Gottes für seine Fürsorge an (EZ 397). In manchen Kirchen wurde der biblische Psalter wohlwollend aufgenommen und die alttestamentlichen Gebete wurden für die zeitgenössischen Rezipienten umgedichtet. Die biblische Dialogizität und Didaktizität transformierten die europäische gregorianische Sehnsucht nach meditativer Vereinigung, denn die europäischen Verfasser erkannten das potenzielle Wunder der Gegenwart Christi im Wort der Schrift und in der Botschaft, die diese Texte interpretiert – sie erkannten also, dass das Wort für die Hörer durch ihren Glauben zum Gotteswort werden kann.

Die Liederdichter lauschten den biblischen Texten und interpretierten sie. Sie hörten das Schriftwort und die Predigt und banden Christi Gegenwart nicht allein an die Eucharistie. Sie wandten sich in den Liedern direkt an Gott und dankten ihm für seine Fürsorge (EZ 99 Oh, der Herr regieret). Auch die reformatorischen Paraphrasen biblischer Texte aus dem 16. und 17. Jahrhundert deuten diese Frömmigkeitsdimension an – die Offenheit gegenüber Gottes Gegenwart in der Versammlung der Gläubigen. Sie (Comenius, Tranoscius und andere) leiteten daraus allerdings Konsequenzen für das Glaubensleben ab – zivil-interpretatorische Konsequenzen. Manchmal ist der Bezug zur biblischen Grundlage sehr lose – bei Comenius, aber auch bei Autoren des 20. Jahrhunderts. Die modernen Autoren reduzieren die biblische Botschaft nicht, sie interpretieren sie so wie ihre Vorläufer und auch sie rufen zu Gott, zu Christus und zum Heiligen Geist. Sie bitten, loben, danken, staunen, in ihrer Angst bekennen sie die Überlegenheit der „guten Mächte, von denen wir treu und still umgeben sind“ (NP 134; S 186).

Die Gläubigen stellen sich mit ihrem Gesang in die Tradition der Reformation in Böhmen und Europa in ihrer zivilen Verfasstheit und ihrer musikalischen Ausrichtung, denn auch die meditative Musik aus Taizé ist kein Richtungswechsel, der die Entwicklung des geistlichen Liedes völlig umkehren würde. Auch die Lieder aus Taizé sind letztendlich geprägt von Didaktizität und figurieren nicht als allein heilbringendes Modell für das säkularisierte Europa. Sie intensivieren zwar das meditativ-adorative Element der geistlichen Lieder, aber nur in gewissem Maße, denn sie entwickeln auch didaktische Elemente. Lediglich der prophetische Ton kommt hier zum Schweigen. Die prophetischen Lieder (neuen Lieder) aller Jahrhunderte verlieren allerdings das adorative Element nicht aus dem Blick und wenden sich direkt an Gott. Man kann also sagen, dass die biblisch-dialogische und didaktische sowie die adorative Dimension der Psalmen dank der Reformation das europäische geistliche Lied beeinflusst haben und dass diese drei Elemente offenbar zu einem dauerhaften Bestandteil des europäischen geistlichen Liedes geworden sind. In der tschechischen Liturgie vor dem Hussitentum war das Gemeindelied (also das gemeinsam gesungene Lied) eine Randerscheinung und die Messe war Angelegenheit des lateinisch singenden Klerus. Die Synoden von 1408 und 1412 verwehrten den geistlichen Liedern den Zugang zu den Kirchen. Singen konnte man nur außerhalb der Gotteshäuser. Es waren nur vier Lieder zugelassen und dies ausschließlich auf Wallfahrten.[9] Das gemeinsam gesungene geistliche Lied, der gemeinsame Gesang der ganzen Gemeinde und nicht nur von sog. Literatenbruderschaften (Zusammenschluss von Stadtbürgern zum gemeinsamen Gottesdienstgesang, Anm. d. Übers.), ist ein religiöses Element, das sich mit der böhmischen und dann auch der weltweiten Reformation in Europa und Amerika allmählich durchzusetzen begann.

6. Angst und Gottesfurcht

„Die Liebe treibt die Furcht aus“ (NP 71; S 147) – so ist es tatsächlich. Die Angst kann nur durch die Liebe überwunden werden, davon ist der Autor des ersten Johannesbriefs überzeugt: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht rechnet mit Strafe, wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe“ (1. Joh 4,18). Allein können wir die Angst vor dem Menschen nicht überwinden und wir finden nicht die Kraft, ihn zu lieben (1. Joh 4,20).

Wir fürchten uns vor Unheil, Katastrophen, auch vor dem Tod. Die Angst hindert uns daran, liebevoll zu handeln, deshalb suchen wir nach Ersatzbeziehungen, nach Wissen, Leidenschaften und der Faszination der Technik oder nach einer ekstatischreligiösen Inspiration: „Könnt’ ich in Atome blicken, flög’ mit Schnelligkeit des Lichts, würd’ mit Engelszungen reden, ohne Liebe wär’ ich nichts.“ Die Liebe befreit von der Verstrickung in menschliche Heilsideen, sie kommt zu uns und macht uns frei von Überängstlichkeit und Abhängigkeit, sodass wir unseren Blick schärfen und erkennen, dass die Liebe uns inspiriert und uns hilft, Früchte zu tragen – Früchte der Hilfe und der gesellschaftlichen Gerechtigkeit: „Wie ein Baum, der Früchte trägt, nicht nur sich mit Blättern schmückt, den die Sturzflut nicht gleich fällt, wenn sie ihm zu Leibe rückt“ oder „weiter für die Wahrheit stehen, auch wenn sie verachtet wird.“

Miloš Rejchrt ist ein aufmerksamer Bibelleser und weiß, dass es verschiedene Arten von Furcht und Angst gibt, und dass es die Ehrfurcht vor dem Herrn, ja gar eine Gottesfurcht gibt, die von der „wundersamen Macht“ (Dagmar und Petr Pokornýs Übersetzung der „guten Mächte“ bei Bonhoeffer) wachgerufen wird. Diese „wundersame Macht“, die uns still umgibt, ist keine Fessel und kein Opiat, wir befinden uns in ihrem inspirierenden und barmherzigen Kraftfeld. Die „wundersame Macht“ inspiriert uns zu innerer Einkehr und zur Hoffnung – wie uns das Lied Dietrich Bonhoeffers, der von den Nationalsozialisten gefangen gehalten und hingerichtet wurde, nahelegt (NP 134; S 186). Jenes Umgebensein, die Ehrfurcht vor dem Herrn bzw. die Gottesfurcht ist etwas Unbeschreibliches, das wirksam ist, das man nicht auf einem Foto festhalten kann, aber man kann davon singen – und es ist gleichzeitig eine Furcht, die erste Antwort des Menschen auf das Erkennen von Gottes Gegenwart, von Gottes Ruf und Verkündigung. Lob und Freude sind nicht die erste Antwort. Nicht Freude, sondern Ehrfurcht, Furcht – das ist die erste Antwort. Die Antwort der Verwunderung und der Ehrfurcht vor der „wundersamen Macht“. Die Furcht und Ehrfurcht der Frauen, die im leeren Grab ihren Herrn suchten. Am leeren Grab wurden sie von Furcht ergriffen: „Und als sie sich sagten, das sei nicht zu versteh’n, befiel sie große Furcht, wie’s einst dem Herrn gescheh’n“ (NP 161, S 324). In dieser ehrfürchtigen Haltung haben sie eine Vision, die in eine verständliche Botschaft mündet, die sie anderen weitersagen sollen. Das taten sie dann auch, und deshalb steht sie in unseren Evangelien zu lesen. Der Verfasser des Liedes beschreibt uns die Ehrfurcht dadurch, dass die beiden Frauen niederknien und ihr Häupter senken: „Die Frauen knieten nieder und sie verneigten sich, die Männer aber sprachen: Ihr sucht ihn vergeblich, er ist nicht hier, denn hier ist nur, was vergänglich ist, Gräber sind nur für Tote, nicht den lebend’gen Christ.“ Ähnlich wie im Lied „Dir sei Ehre“ aktualisiert der Autor auch hier und lenkt die Aufmerksamkeit der Sänger auf die Gegenwart, befreit von neuzeitlichem Aberglauben und verweist auf die nach wie vor relevante und dabei nur mit einer Metapher ausdrückbare Wirklichkeit der Auferstehung: „Denkt doch daran, was Jesus uns versprochen hat, habt Mut, vertraut darauf, dass Gott, der Herr, mächtige Wunder tut. Wozu die Balsame, Gruften und Mausoleen, wenn unser Osterglaube sagt, dass wir aufersteh’n?“ Das Lied enthält eine gesellschaftliche Aktualisierung, genauso wie der folgende Text, der im 19. Jahrhundert entstanden ist: „Schöpfe Mut zum Kampfe, oh du Häuflein klein, ,Christus ist der Sieger‘ soll eure Losung sein.“ Möglicherweise ist der geschichtliche Kontext zu ersterem Lied schon völlig in Vergessenheit geraten, deshalb sei hier daran erinnert, dass die sowjetische und auch die tschechoslowakische kommunistische Staatsmacht ihre Parteiführer einbalsamieren ließ. Im Moskauer Kreml hat man eine solche „Wachsfigur“ fast ein Dreivierteljahrhundert ausgestellt. Auf dem Roten Platz stand man in Mehrfachreihen mehrere Stunden Schlange, um dem Begründer der neuen Gesellschaftsordnung, dem säkularen Heiland, die Ehre zu erweisen. Er war der säkulare Messias, und ein Wissenschaftler, der ihn im Vorwort zitierte, konnte nahezu sicher sein, dass sein Werk von der Kommission positiv beurteilt und in einer angemessenen Auflage veröffentlicht wird. Wenn er aber noch rechtzeitig die beiden anderen Namen der Heiligen Dreifaltigkeit – Marx und Engels – erwähnte, konnte er ganz sicher sein.

Eine inspirierende Furcht ergriff die Frauen und vertrieb die Angst vor dem Tod und dem totalen Niedergang. Es ergriff sie eine Furcht, wie einst die Hirten bei Bethlehem. Sicher kennt man das zu Weihnachten häufig zitierte: „… und sie fürchteten sich sehr.“ Die Hirten, einfache Leute, werden gerade im Augenblick der Ehrfurcht und des Erstaunens in die Lage versetzt, auch das Lied der Engel zu vernehmen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“

Die Gottesfurcht war bei vielen biblischen Gestalten präsent. Adam fürchtete sich im Paradies vor der Gegenwart Gottes und begann, sich herauszureden; Abraham fürchtete sich und nahm einen neuen Namen an; Mose fürchtete sich und redete sich heraus, er sei kein Redner und dieser Aufgabe nicht gewachsen; gottesfürchtig ist die mutige Frau, von der das Buch der Sprüche singt; ehrfürchtig und inspirierend fürchteten sich auch die Propheten Jesaja und Jeremia, weshalb sie ihre Visionen und ihre Botschaft niederschreiben ließen. Der letztgenannte verkündete den Willen des Herrn: Er werde an jenem Tag seine Furcht über Israel ausgießen, das auf immer in der Furcht des Herrn leben werde, und er wolle mit ihnen einen ewigen Bund schließen (Jer 32, 37–41);[10] der Apostel Paulus rät, in Furcht und Zittern unseren Glauben zu leben, denn „nur was zittert, wird fest“, wenn ich hier einen katholischen Prediger paraphrasieren darf (Anspielung auf ein Buch Tomáš Halíks mit dem Titel „Was ohne Zittern ist, ist nicht fest“ – „Co je bez chvění, není pevné“, Anm. d. Übers.). Ein solcher Mensch muss dann den Menschen nicht fürchten. Dann ist auch das Morgengebet der Käferchen (s. das Kinderbuch „Die Käferchen“ von Jan Karafiát, Anm. d. Übers.) keine Bitte überängstlicher und naiver Geschöpfe, die von der Krise des modernen Zeitalters noch unberührt sind. Jan Karafiát deutet an, dass die Käferchen um gewöhnliche Ehrfurcht bitten, sie bitten um Furcht, also um das Bewusstsein der Gegenwart Gottes. Im Bewusstsein der Furcht hören wir dann auf das, was Gott uns übermitteln lässt, und sicher wird uns auch die Kraft verliehen, unsere Nächsten zu lieben. Das Käferchen lernt, was auch die Apostel verkündeten, nämlich dass wir Gott mehr gehorchen sollen als den Menschen: „Gib, dass wir in Gottesfurcht und Gehorsam leben und dabei einander Liebe weitergeben.“

Ohne Ehrfurcht vor Gott wird es uns kaum gelingen, die Antipathie gegenüber unseren Nächsten zu überwinden. Wir sind in derselben Situation wie Abraham, der sich vor dem Menschen (dem Pharao) fürchtete und seine Frau überredete, sich als seine Schwester auszugeben. Er suchte nach Ausflüchten, log und stiftete andere zum Lügen an, denn er fürchtete um sein Leben. Abraham versucht, die Krise durch die Erniedrigung und den Missbrauch des Schwächeren – seiner eigenen Frau Sara – zu lösen. Ebenso wie Abraham stecken auch wir fest in unseren Traumata, in unserem Stress und unserer Gleichgültigkeit. Wir stecken fest in der Freud’schen Angst vor dem patriarchalen Gottvater und stürzen uns lieber ins andere Extrem: in pflingstlerisch-freudige Ekstasen, die oft einem unreinen und nicht dem Heiligen Geist entstammen. Wir stürzen uns in das Jung’sche Mysterium, wo uns ein Schrecken einflößender und tröstender archetypischer Gott angrinst und uns die Botschaft der Apostel von der religiösen Menschlichkeit entgeht, von welcher der Dalai-Lama und die iranische Muslimin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi berichten. Die Frauen am Grab begegnen der Gegenwart Gottes, welche die Jung’schen und Freud’schen Traumata überwindet und eine strahlende Hoffnung verheißt – das Gegenteil aller düsteren archetypischen und patriarchalen Autoritäten und Geheimnisse. Die Frauen verkünden die Auferstehung – eine unbeschreibliche und doch gegenwärtige Hoffnung. Auf diese geheimnisvolle Auferstehungshoffnung folgt die menschliche Antwort in Form von Furcht und Zittern. Durch den Glauben erkennen wir, dass es um Ehrfurcht, um Gottesfurcht geht, die viele Male und auf viele verschiedene Weisen zu uns gesprochen hat. Gottes Botschaften lassen sich nicht in Formeln, stereotype Sprüche oder satanische Verse pressen. Es geht um Gottes Gegenwart, die schließlich auf wunderbare Weise in die menschlichen Worte der Botschaft oder in Lobgesänge transformiert wird. Wir hören von einer wundersamen Macht, dann wieder von Hirten und von den Frauen am leeren Grab oder von Gottes Gegenwart, die uns entgegenkommt und uns etwas geben möchte:

„Ich nehme dankbar an, was du mir willst geben. Was wichtig für mich, weißt du besser als ich, du weißt, was ich wirklich brauche. Ich nehme dankbar an, was du mir willst geben. Du weißt längst vor mir, was mich näher bringt zu dir, Halleluja./ Sei bei mir, wenn mir scheint, dass Dunkel mich einhüllt. Dabei weiß ich nicht, wann dein Morgen anbricht, du allein weißt, wann es Tag wird. Sei bei mir, wenn mir scheint, dass Dunkel mich einhüllt. Führ’ mich durch die Zeit, führ’ mich durch die Dunkelheit, Halleluja.“ (EZD 636, Melodie: Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen, Anm. d. Übers.)

So brachte Miloš Rejchrt sein providentiell geschichtliches Vertrauen in Zeiten der Freiheit nach 1989, also an „hellen Tagen“, im Lied zum Ausdruck. In den Jahren der „Normalisierung“, in „bösen Zeiten“, sang er mit demselben Vertrauen: „Mit dem letzten Atemzug fass’ ich nach der Hand, die mich trug, die stärker ist als mein Vertrau’n, ein neues Land werd’ ich dann schaun’. Jahr um Jahr gehen ins Land, Jahr um Jahr in deiner Hand, meiner Tage flüchtiges Band leg ich in deine liebende Hand“ (NP 105; S 286).

Wir sangen mit Miloš und anderen Liederdichtern, wir sangen gemeinsam mit anderen dankbaren Sängern. Geführt durch Gottes liebende Hand waren die sozialistischen Perspektiven für uns leichter zu ertragen, obwohl wir dachten, dass wir noch sehr lange mit diesem Spuk leben müssen. Dazu muss noch gesagt werden, dass die sozialistischen Perspektiven für uns nicht in der Weise attraktiv waren, wie sie noch die Generation Hromádkas fasziniert hatten. Von ihren Traumata und Strategien hatten wir uns im Laufe der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts verabschiedet, denn für uns war J. L. Hromádka kein unüberhörbarer Appell. Für uns (die heute Sechzigjährigen), die wir seine charismatische Gegenwart nicht selbst miterlebt hatten, klang das Lied J. L. Hromádkas nicht überzeugend. Es war eine zu große Hoffnung auf die sozialistische gesellschaftliche Gerechtigkeit herauszuhören, die unseren Erfahrungen widersprach. Manchmal schien uns, dass sein musikalischtheologisches Gehör nicht gut genug war und dass ihm das Verständnis für den nordamerikanischen Puritanismus, wie ich es heute nennen würde, die amerikanische Spielart des Calvinismus, fehlte. Die Puritaner hatten jahrhundertelang laut von religiöser Freiheit und Menschenrechten gesungen.[11]

Der baptistischen Lesart der puritanischen Themen Freiheit und Menschenrechte, die dank Martin Luther King Verbreitung fand, schlossen sich dann noch weitere an. In der afroamerikanischen Theologie der Spirituals gelangte zu uns die „religiöse Musik“ der Hoffnung und Freude. Sie war klar und für viele inspirierend – davon zeugen die Liederbücher „Das neue Lied“, „Es tagt“, „Hosianna“ und viele andere. Vielleicht lehnt sich ja auch das heutige Liedschaffen an die vom Puritanismus und von Traditionals geprägte Strömung an und widersteht dem Geist der Verschlossenheit in einen exklusiven heiligen Raum. Wenn es dem Gefühl der Exklusivität widersteht, ist es auch gefeit gegen die negativen Töne, die es in jeder Religion gibt. Die Gläubigen müssen dieses Exklusivitätsgefühl immer wieder von Neuem überwinden, sonst wird aus der Religion ein Geheimbund religiöser Eigenbrötler, die sich in ihrer religiösen Welt einigeln und so in eine gottesdienstliche „Kunstsprache“ verfallen. Vor einer solchen emotionslosen Kunstsprache hatte Václav Havel auch die weltlichen Denker und Politiker gewarnt. In religiöse Sprache übersetzt hieße das, nicht der Selbstzerstörung oder religiösen Selbstzufriedenheit zu verfallen bzw. dem Götzendienst, wie Johannes Calvin warnte.

Dann hören die Christen auf, in ihren Liedern das „urchristliche Manifest der Rechte und Freiheiten“ zu verkünden, wie der katholische Theologe Jacques Maritain das apostolische Glaubensbekenntnis nannte: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29). Dann überhören sie auch das Hohelied der Liebe (1. Kor 13) und das Lied von der Gleichheit aller in Christus (Gal 3,28) und beginnen so zu tun, als hätte diese Botschaft keine sozialen Folgen und als sei auch Paulus eigentlich ein sehr konservativer Denker gewesen, der die soziale Ordnung, wie in der damaligen Gesellschaft üblich, in Stein meißelte und keine Aussicht auf Veränderung bot. Auch den Brief an Philemon interpretieren sie als privaten Brief, der im Grunde nichts ändere. Sie überhören auch die ökumenische Stimme des Rabbi Gamaliel, der die Andersartigkeit der Christen und ihren Anspruch auf öffentliches Auftreten bejahte. Er räumte ein, dass ihre Bemühungen legitim sein könnten. Deshalb riet Gamaliel den Gegnern des Christentums, die christliche Bewegung gewähren zu lassen. Wenn sie nicht von Gott komme, werde sie untergehen. Komme sie aber von Gott, so werde es ihnen ohnehin nicht gelingen, sie auszutilgen. Religiöse Toleranz und Pluralität sind nach und nach auf jüdisch-christlichem Boden gewachsen und ihre Wurzeln sind bereits im Alten Testament zu finden. Das Recht auf Gewissensfreiheit hat hier, unter diesen Menschen, seinen Ursprung. Sie ließen sich auch von Jesu Toleranz gegenüber Andersgläubigen, gegenüber anderen Religionen (die syrophönizische Frau) und Konfessionen (Samaritaner) leiten. Er stellt sogar einen Andersgläubigen als Vorbild für seine frommen Glaubensbrüder hin. Juden wie Christen (Gamaliel, Paulus und andere) haben mit ihrem Leben ein Zeugnis der Toleranz und der Würde abgelegt. Sie singen das Lied von der religiösen und gesellschaftlichen Freiheit gut hörbar, immer wieder und auf vielerlei Weise, auch über die Grenzen der Jahrhunderte hinweg.

Abkürzungen:

EZ – Evangelisches Gesangbuch (Evangelický zpěvník), Karlsruhe, 1979.

EZD – Anhang zum Evangelischen Gesangbuch (Dodatek k EZ), Plzeň 2000.

NP – Das neue Lied (Nová Píseň), 1987, Selbstverlag (Noten + Text).

S – „Es tagt“ (Svítá), Praha: Kalich, 1999 (zweite Ausgabe).

EKBB – Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder

 

[1] Mit Erlaubnis des Verlegers drucke ich Auszüge aus folgendem Buch ab: Trhlina v oponě. Benešov:

EMAN, 2002. Nach Klaas van der Horst bearbeitet von Pavel Šebesta.

[2] Mit Erlaubnis des Verlegers drucke ich Auszüge aus folgendem Buch ab: Trhlina v oponě. Benešov:

EMAN, 2002. Nach Klaas van der Horst bearbeitet von Pavel Šebesta.

[3] Dies ist ein Versuch, die Titelblätter zweier evangelischer Exilgesangbücher zu paraphrasieren und zu kombinieren. Die betreffenden Bücher wurden im 18. Jahrhundert, in der Zeit der Gegenreformation, im Ausland gedruckt und illegal nach Böhmen und Mähren gebracht, wo die Kryptoprotestanten zu Hause oder auch bei ihren Gottesdiensten aus ihnen sangen: „Geistlicher Liederschatz“ von Johannes Myller, Kantor der Zittauer böhmischen Kirche, gedruckt in Zittau A. D. 1710 und „Cithara sanctorum“ des Brüderpfarrers Jiří Třanovský (Tranoscius, Anm. d. L.), gedruckt in Leipzig A. D. 1737.

[4] Zu diesem Begriff siehe Anmerkung Nummer 5: Kriminalist – Krimineller im folgenden Text von Honza Keller.

[5] Seine kriminalistische Ader stellte Bohdan öfter unter Beweis, besonders beim Aufspüren und Liquidieren einer Abhöranlage, die von der Staatssicherheit Hradec bei Familie Bísek im Pfarrhaus in Telecí installiert worden war.

[6] Filip Keller, Pfarrer in Svitavy, der diese authentischen Aussagen im März 2012 durchsah, merkt Folgendes zum Bericht seines Vaters an: „Ich habe nichts zu ergänzen, nur dass ich mich sehr gut daran erinnere, wie du in Černošín am Tisch saßt und die einzelnen Papiere in einem Rahmen nach einer Vorlage liniert hast. Dann erinnere ich mich noch, dass du Fineliner verwendet hast, die heute gängig sind, die es aber damals, denke ich, nicht zu kaufen gab. Waren die nicht von Familie Novotný aus der Schweiz?“

[7] Jan Heller / Milan Mrázek, Nástin religionistiky, Praha 1998.

[8] Dieselbe Bewegung ist in der bildenden Kunst erkennbar – vom rein Adorativen zum Didaktischen und Memorativen. Dennoch beinhaltet auch dieser didaktische Wesenszug der bildenden Kunst gewisse adorative Elemente, aber die didaktische Aussage überwiegt, siehe Kateřina Horníčková / Michal Šroněk, Umění české reformace 1380–1620, Praha: Academia 2010.

[9] Hospodine, pomiluj ny; Svatý Václave; Buoh všemohúcí; Jezu Kriste, štědrý kněže.

[10] Kapitel 32 wiederholt mit anderen Metaphern die Botschaft von Kapitel 31, die den Lesern bekannter ist (der HERR gibt das Gesetz in ihr Herz, der HERR wird Israels Gott sein und Israel wird sein Volk sein, er wird mit Israel einen neuen Bund schließen).

[11] McCullough, David. John Adams, Praha, 2005.