Dienstbare oder servile Theologie? Die Prager Evangelisch-Theologische Fakultät nach 1968 und ihre umstrittenste theologische Erklärung von 1977

Peter Morée

Für die tschechische Gesellschaft und die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) gehört das Jahr 1977 zu den heikelsten und deshalb bedeutendsten Perioden der tschechischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Nachdem die Tschechoslowakische Sozialistische Republik die sogenannte Schlussakte von Helsinki über Zusammenarbeit, Sicherheit und Menschenrechte ratifiziert hatte, wurde Anfang 1977 die Charta 77 veröffentlicht.

Briefe und Petitionen in der Zeit der beginnenden und konsolidierten „Normalisierung“ (1968–1977)

Pavel Keřkovský

Briefe von Einzelpersonen, die Charta 77, die Petition der Einunddreißig, die Erklärung der Fünf und das Manifest der jungen Generation

Der Untertitel deutet bereits darauf hin, dass sich die kirchliche Debatte über das Leben der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) in der Zeit der beginnenden (1969–1972) und konsolidierten „Normalisierung“ (1972–1977)[1] auf die Rolle des Rechts in Kirche und Gesellschaft konzentrierte und somit auch auf die Frage, in welchem Maße sich die Gläubigen am gesell

Die Synoden der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in den Jahren 1969–1989

Wenn man sich mit der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) in den Jahren 1969–1989 beschäftigen möchte, ist ein möglicher Ansatz, lediglich die Synoden zu untersuchen und sie als ein gewisses Abbild dessen aufzufassen, was in der Kirche und mit der Kirche in jener Zeit vor sich ging. Gleichzeitig sollte man im Auge behalten, dass die Synoden ein wenig repräsentatives Bild der EKBB abgeben. Sie bilden nur einen kleinen Ausschnitt des Geschehens innerhalb der EKBB ab, wenn auch einen für die Öffentlichkeit gut sichtbaren.

Wie die tschechischen Protestanten den Geist der Freiheit gewannen, aber auch wieder verloren. Die EKBB zwischen 1968 und 1977

Peter Morée
Die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder bekannte sich früh und entschieden zur Demokratisierung der Gesellschaft, die 1968 einsetzte. Nach 1969 geriet sie zunehmend unter staatlichen Druck (meist vonseiten des Sekretariats für Kirchenfragen) und wurde aufgefordert, sich zu „konsolidieren“ und bestimmte Dokumente aus den Jahren 1968 und 1969 zu widerrufen. In dieser Situation bildeten sich schließlich innerhalb der Kirche zwei Lager heraus, denen es an gegenseitigem Vertrauen mangelte. Die Ereignisse des Jahres 1977 manifestierten dann das vergleichsweise tragische Schicksal der EKBB in der Zeit der sog. Normalisierung.

Vor dem 21. August 1968

Einige Fälle von verfolgten Laien aus der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder

Pavel Hlaváč, Pavel Keřkovský, Blanka Nová
Die Kommission „Der Weg der Kirche seit 1945“ konnte 43 Geschichten evangelischer Familien und 16 kurze Informationen über verfolgte Mitglieder der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zusammentragen. Natürlich gab es sehr viel mehr Fälle, aber nicht alle Gemeinden haben auf unsere Anfrage geantwortet. Der nun folgende Text ist ein kurzer Auszug aus zwei Artikeln, die im „Weg der Kirche“, Band VI (2013) und VII (2014) erschienen sind. Zunächst wird kurz die gegen die „Kulaken“ gerichtete sog. Aktion „K“ vorgestellt – die Vernichtung der reichen Großbauern auf dem Lande und der historische und politische Hintergrund dieser Aktion. Dann folgen kurze Porträts mehrerer evangelischer Familien, die davon betroffen waren. Im Anschluss werden die Fälle evangelischer Lehrer geschildert, die wegen ihrer religiösen Überzeugung aus dem Schuldienst entlassen wurden. Wir haben versucht, aus den gesammelten Beispielen die auszuwählen, die als interessante Belege für die Verfolgung von einfachen evangelischen Christen dienen können, von Christen, die sich gegen den Staat nur dadurch versündigt hatten, dass sie ihren eigenen Grund und Boden bewirtschafteten und dies gut taten, oder dadurch, dass sie Gewerbetreibende waren oder einfach „nur“ an Gott glaubten.

Die Kollektivierung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums in der Tschechoslowakei vollzog sich überwiegend in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Nach Februar 1948 begannen für die Bauern schwierige Zeiten. Bereits am 21. März 1948 wurde vom kommunistischen Parlament das Bodenreformgesetz erlassen und auf seiner Grundlage wurde der Boden von Landgütern mit einer Fläche von über 50 Hektar enteignet. Die Wurzeln der Kollektivierung reichen bis in die vierziger Jahre zurück, als im Protektorat das sog.

Gefangene des kommunistischen Regimes

Das kommunistische Regime nahm von Februar 1948 bis November 1989 für mehr oder weniger lange Zeit insgesamt sechzehn evangelische Pfarrer in Haft. Alle Anschuldigungen und Prozesse gegen sie waren politischer und keineswegs krimineller Natur. Gegenüber der Anzahl inhaftierter Priester, Ordensbrüder und Ordensschwestern der römischkatholischen Kirche ist diese Zahl sehr viel geringer und nicht vergleichbar. Das bedeutet jedoch nicht, dass ihr persönliches Leid und das Leid ihrer Eltern, Ehefrauen und Kinder kleiner gewesen wäre.
Die längste Zeit verbrachte ab 1949 Pfarrer Josef Hájek, Religionslehrer aus Prag, im Gefängnis. Von dreizehn Jahren Haftstrafe verbüßte er elf Jahre. Pfarrer Karel Hrbek aus Prag-Smíchov saß ab 1953 drei Jahre im Gefängnis. Außer diesen beiden saßen auch Petr Jankovský, Jaroslav Dokoupil, Josef Jirků, Josef Tobiáš, František Kopecký, Jaroslav Choděra und Jaroslav Ryšavý im Gefängnis. Die beiden Letztgenannten wurden gleichzeitig entlassen, arbeiteten danach noch kurze Zeit für die Kirche, wechselten aber beide schon bald in einen zivilen Beruf. Zur gleichen Zeit wie sie wurde Pfarrer Bohumil Dittrich freigelassen (Dezember 1951), der etwas später festgenommen und lange, mit zermürbenden Methoden und möglicherweise sogar unter Folter verhört worden war. Der aus Zelów stammende Jan Jelínek war vor dem Zweiten Weltkrieg in der Ukraine und danach in der Tschechoslowakei als Pfarrer tätig. Seine Erfahrungen mit der sowjetischen Kollektivierung der Landwirtschaft in der Ukraine ließen ihn Kritik an der Politik der Kollektivierung in der Tschechoslowakei üben, wofür er zwei Jahre im Gefängnis saß.
Die Lebensgeschichte von Bedřich Bašus ist sehr komplex. Er war Pfarrer in Brandýs nad Orlicí, später auch in Choceň und wurde Opfer eines politischen Prozesses, der ihm das Rückgrat brach, sodass er nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis in die Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit einwilligte. Das Tragischste an seiner Geschichte ist, dass aufgrund seiner Informationen Pfarrer Antonín Verner verurteilt wurde, dessen Leben nie wieder in normale Bahnen zurückkehrte. Ein Opfer der kommunistischen Repressionen sorgte so für ein weiteres Opfer.
Das Schicksal der anderen inhaftierten Pfarrer wird teilweise im Artikel „Briefe und Petitionen“ (Jaromír Dus, Svatopluk Karásek, Jan Zeno Dus) und im Artikel „Die bewegte Geschichte des Verbandes der Geistlichen der EKBB (SČED)“ (Vlastimil Sláma) beschrieben.
Was die ungleich höhere Anzahl an gemaßregelten und verfolgten evangelischen Laien angeht, baten wir die Kirchenvorstände um Informationen. Der Rücklauf war jedoch gering, sodass keine gesamtkirchliche Dokumentation zu diesem Thema möglich war. Aus diesem unvollständigen Bild legen wir hier eine Auswahl vor. Damit der Leser die Situation in der kommunistischen Tschechoslowakei nach 1948 versteht, beginnen wir mit der Verfolgung von Laien in der Region Kutná Hora und schildern erst danach die Geschichten von Bohumil Dittrich, Jan Jelínek und Bedřich Bašus.

Der Widerstand gegen das kommunistische Regime in der Region Kutná Hora und seine Opfer

Pavel Hlaváč