Drei inspirierende Persönlichkeiten - František Laichter, Božena Komárková, Ladislav Hejdánek
František Laichter
František Laichter ging es ebenso wie seinem Vater Jan bei seiner Verlegertätigkeit nicht um den kommerziellen Erfolg. Somit konnten sich beide sehr intensiv dem relativ unrentablen Bereich der Bildungsliteratur widmen. Es war ihnen ein Anliegen, dem tschechischen Volk die grundlegenden philosophischen, theologischen und historischen Werke der euro-amerikanischen Zivilisation zur Verfügung zu stellen. Deshalb publizierten sie die Schriften der antiken Philosophen, der Reformatoren aus Böhmen und der ganzen Welt, die Werke der modernen Denker, aber auch die Korrespondenz von J. A. Comenius, Jan Hus und vielen anderen.
Vater und Sohn gehörten den Böhmischen Brüdern an und bemühten sich darum, diese Tradition an die tschechische Öffentlichkeit weiterzugeben. Sie verstanden das Böhmische Brüdertum in einem weiten Sinne als reiche religiöse Tradition, die sich in einem europäischen und weltumspannenden Kontext aufrichtig mit den religiösen Fragen auseinandersetzt. Dies deutete Jan Laichter bereits mit seiner ersten verlegerischen Unternehmung an, als er 1896 die Zeitschrift Naše doba (Unsere Zeit) gründete. Während der gesamten Zeit ihres Wirkens ging es Vater und Sohn nicht um konfessionell vereinfachende Ansichten, die nur einen kleinen Teil der Gesellschaft angesprochen hätten. Sie wollten ihr Volk in den Bereichen Philosophie und Theologie, Geschichte und tschechische Sprachkultur bilden. Deshalb bat František Laichter selbst im fortgeschrittenen Alter noch die Leitung der EKBB darum, sich nach der erfolgreichen Organisation und schrittweisen Veröffentlichung einer ökumenischen Bibelübersetzung mit Erklärungen auch um eine neue revidierte Ausgabe der Kralitzer Bibel zu bemühen.
Die Lebensgeschichte František Laichters (1902–1985) spiegelt die kulturelle und religiöse Entwicklung der Tschechoslowakei wider. František Laichter bilanziert in einem Brief an Božena Komárková aus der Zeit der beginnenden „Normalisierung“ (14. 12. 1972) sein Lebenswerk und wendet sich an diese für ihn prägende und ihm lieb gewordene Persönlichkeit:
„Liebe Boženka,
Ihr Brief vom 7. und Ihre Gratulation zu meinem Siebzigsten haben mich wirklich sehr gefreut. Wenn Sie etwas sagen oder schreiben, stehen Sie mit ihrer ganzen Persönlichkeit dahinter, und die ist keine gewöhnliche. Im Gegenteil. Wie viele Mahnerinnen und Bekennerinnen Ihrer Art könnten sowohl unsere Kirche als auch unsere ganze Nation brauchen! Gerade in dieser Zeit des charakterlichen Verfalls und des Meinungswirrwarrs. Sie erspüren und wissen sehr gut, dass ich mein Jubiläum nicht gefeiert habe. Nicht aus kleinlichen Gründen, sondern weil ich weiß, was ich vollbringen wollte und wovon man mich vertrieben hat. Das war keine privatgeschäftliche Angelegenheit. Schon mein Vater hatte das einst unter Beweis gestellt, als er dem vom Verlag Jan Ottos im Stich gelassenen Masaryk eine Zeitschriftenplattform bot (er war kein Kapitalist, ein einfacher kleiner Beamter mit wenigen Ersparnissen), und als er seine Verlagstätigkeit nicht mit einem Verkaufsschlager begann, sondern mit der Gründung von Laichters Auswahl der besten Bildungsschriften (Laichterův výbor nejlepších spisů poučných), also mit wissenschaftlichen Büchern, wie er es in Masaryks Artikel im Athenaeum gelesen und sich zur Aufgabe gemacht hatte: Wie kann das Niveau der Bildungsliteratur gehoben werden. Für mich selbst war Masaryk kein bloßes Aushängeschild, ich hatte mich zu ihm mit selbständiger Lektüre durchgekämpft, mir seine gehaltvollen und unverbrüchlichen Denkanstöße angeeignet. Auf meine Tätigkeit als Verleger bereitete ich mich in den Jahren an der Hochschule durch ein konzentriertes Studium vor, das auf mein künftiges Fachgebiet ausgerichtet war. Die Kenntnis führender oder kulturell bedeutender ausländischer Unternehmen, die Tatsache, dass ich ab 1931 offizieller Delegierter bei den Internationalen Verlegerkongressen war (1947 wurde ich sogar in Genf in den fünfköpfigen Exekutivausschuss dieser internationalen Institution gewählt), das trug weiter zu meiner Qualifikation bei. In die segensreiche Werkstatt meines Vaters trat ich im April 1924 ein, ab 1932 leitete ich sie de facto und insgesamt war ich ein Vierteljahrhundert in ihr tätig. Die Öffentlichkeit durfte nicht erfahren, dass der Verlag meines Vaters in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg tief verschuldet war. Dies war das Ergebnis der Ausverkäufe für die inflationäre österreichische Währung und der staatlichen Vermögensabgaben, mehrerer unrentabler wissenschaftlicher Ausgaben (das fünfbändige M. J. Hus von V. Novotný und Kybal, die Geschichte Serbiens von Stanojević), sodass meine erste Aufgabe und Sorge war, den Verlag zu entschulden. Ich reiste mit den Büchern umher, organisierte Sammleraktionen und bewältigte Schritt für Schritt dieses anfängliche Hindernis. Schlimm war das Jahr 1931, als nach dem Bankrott des Verlags Aventinum die Gewerbebank den Kredit kündigte. Er musste innerhalb von drei Monaten abgezahlt werden. Ich weiß aus Erfahrung, was unternehmerische Verantwortung bedeutete. Aber ich überwand diese Hürden. Ich gründete die Edition Philosophische Bibliothek, in der ich meine geliebten Platonschriften herausgab, die Edition zur Böhmischen Geschichte stellte ich mit Krofta auf eine neue Basis, ich gründete die reformatorischen Gedächtnispfeiler, und in der Zeit, als Sie von den Nazis gefangen gehalten wurden, dachte ich über nichts anderes nach als darüber, wie man unsere Leute im antifaschistischen Widerstand unterstützen könnte. Mitten im Sumpf der Zweiten Republik bot mir Krofta persönlich die denkwürdige Schrift Aus den Zeiten unserer Ersten Republik an, die gegen Hitler gerichtet war und im ersten Halbjahr 1939 direkt vor der Nase der Gestapo erschien. Sein Unsterbliches Volk schrieb Krofta dagegen auf meine Bitte hin, als Erwiderung auf Franks, Henleins und Pfitzners Vorwurf, unsere Geschichtsschreiber traktierten die tschechische Vergangenheit nicht ,reichsgemäß‘. Ja, es konnte eine ganze Reihe guter Bücher erscheinen. Allein in den Jahren 1946–1948 gab ich jährlich je 14 umfang- und inhaltsreiche Publikationen heraus, in den darauffolgenden 23 Jahren wären das beim selben Tempo 322 Bücher – und was für Bücher – gewesen. Aber ‚was wäre wenn‘ gilt nicht. Als mein Vater aus dem irdischen Leben schied, war ich fest davon überzeugt, dass die Weiterführung und Blüte und innere Qualität seines Werkes garantiert sind. Gleichermaßen blickte ich hoffnungsvoll in die Zukunft. Alles kam anders. Und mich belastet nicht mein persönlicher Fall oder das Schicksal des Verlags. Ich bin traurig über den kopflosen und unorganischen Bruch im eigenständigen Wachstum unseres Volkes, über die Verlogenheit und die geistige und somit auch moralische Ödnis eines neokolonisierten Guberniums.
Meine Frau und ich halten uns persönlich nicht für gescheitert. Uns wurde die Prüfung auferlegt, ob das, wozu wir uns in unserer Jugend bekannt haben, nur Worte waren oder verbindliche Werte. Der Treue gegenüber unserem Gewissen und unserer Überzeugung, im Einklang von Worten und Taten, gaben wir den Vorzug. So wie es im 11. Kap. des Hebräerbriefs in Vers 25 und im 2. Timotheusbrief 1,7 geschrieben steht. – Nochmals herzlichen Dank für das Verständnis und das stärkende Gefühl der Übereinstimmung in den grundlegenden Dingen des Lebens.“[1]
František Laichter kritisierte die Sowjetisierung des gesellschaftlichen Lebens und befürwortete nicht alle Schritte der Kirchenleitung, Synoden, Konvente und Kirchenvorstände nach 1948. Hromádkas politische Strategie hielt er nicht für tragfähig. Laichter teilte nicht die spätere Erklärung von Hromádkas politischer Strategie als legitimes „Aufspannen eines Regenschirms“ über der Kirche in Zeiten des Unwetters. Hromádkas Form der Zusammenarbeit mit dem Regime hielt er für einen Irrtum, der sich dem tschechischen Volk und den Christen nicht bezahlt macht. Noch im Jahr 1972 schreibt er in einem Brief, dies sei eine Strategie gewesen, die aus der Kirche ein Ghetto gemacht habe. Hromádkas Ruf nach großer Offenheit gegenüber dem sozialistischen Ethos, den er oft als Deckmantel benutzte – und für diese Einstellung wurde er auch mit staatlichen Auszeichnungen bedacht –, fand unter anderem Ausdruck in einer religiösen Institution, die den Namen Christliche Friedenskonferenz (CFK) trug. Die CFK hielt František Laichter für einen großen Irrtum Hromádkas und für eine gezielte Täuschung der Weltöffentlichkeit. Er weist darauf hin, dass die Protagonisten des Staatsapparats mithilfe der CFK aus der Kirche ein „außenpolitisches Propagandainstrument gemacht haben, um mit seiner Hilfe dort wirksam zu werden, wohin sie mit ihrer unmittelbaren Doktrin nicht vorgedrungen wären. Das war und ist das große Trugspiel der CFK, die ein Instrument einseitiger Großmachtpolitik ist und nichts mit Christi radikaler Ablehnung von Waffen und Krieg, zu wessen Gunsten auch immer, zu tun hat.“[2] Laichter fürchtete normalisierungsfreundliche Gesinnungen innerhalb der Kirche und sah auch die Krise unter den Mitgliedern des ehemaligen Akademischen YMCA (AY) voraus, den die Kommunisten Anfang der fünfziger Jahre aufgelöst hatten. „Ich konnte mich erneut davon überzeugen, dass die ehemaligen Mitglieder des AY – nach einer schrecklich langen Zäsur – nur noch disiecta membra (versprengte Glieder, Anm d. Red.) sind, die nirgends Halt finden. Wenn sie keine Konferenzen und Leitfiguren wie Rádl und Šimsa – und Sie, liebe Schwester, gehören auch zu ihnen – hätten, müssten sie selbst intensiv nachdenken und könnten nicht in Lethargie verfallen.“3
František Laichter war erbittert über das kurze Gedächtnis einiger Weggefährten, die nach dem Beginn der „Normalisierung“ Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre begannen, sich in den Verhältnissen einzurichten. Sie wurden zu privaten Religionskonsumenten, die aufhörten, ihre Verantwortung für die Atmosphäre ihrer Zeit wahrzunehmen. Dabei muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass F. Laichter in den siebziger Jahren J. L. Hromádka, der zu den führenden Persönlichkeiten des AY gehörte, rückblickend nicht mehr zu den Stützen des AY zählte. Das ist nicht etwa ein zufälliges Versäumnis oder Altersvergesslichkeit, denn im selben Jahr entsinnt er sich in einem anderen Brief sehr genau der nicht eingehaltenen Abmachungen J. L. Hromádkas und O. Odložilíks und er erinnert an deren ungute Praktiken im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Bücher Vom anderen Ufer betrachtet (S druhého břehu) und Der Don Quijote der tschechischen Philosophie (Don Quijote české filosofie). Beide Bücher waren während des Krieges in den USA erschienen und sollten aufgrund einer Abmachung (zwischen den beiden genannten Personen und F. Laichter) nicht in der Tschechoslowakei vertrieben werden, denn František Laichter hatte sie auf Bitten J. L. Hromádkas sehr zeitnah in seinem Verlag herausgegeben und ihnen ansehnliche Autorenhonorare gezahlt. Trotzdem wurde die amerikanische Ausgabe auf Initiative von Hromádkas Schwiegervater Dr. Lukl übersandt und preisgünstig verkauft. Nach 1949 wurden beide Titel von Minister V. Kopecký eingestampft.[3]
Im Rahmen des „kollektivistischen Umbaus unseres Staats wurden per Gesetz vom 24. März 1949 alle privaten Verlage für aufgelöst erklärt“ und ab dem 19. April 1949 war Laichters Verlag in Liquidation.[4] Dr. phil. František Laichter bat den Synodalrat der EKBB, ihn als Direktor des Verlags Kalich einzustellen. Sein weiteres Wirken veranschaulicht am besten ein rückblickender Brief von 1972, in dem er dem damaligen Synodalsenior Dr. theol. Václav Kejř für dessen Glückwünsche zu seinem siebzigsten Geburtstag dankt. Damals war er schon im Ruhestand und schaute dankbar und kritisch auf die durchlebten Jahre zurück, ebenso blickte er mit Hoffnungen und Befürchtungen auf die Zukunft der Kirche, denn es ging ihm wirklich um den Dienst an der Kirche und um ein wahrhaftiges Leben „vor dem Angesicht Gottes“, oder wie sein großer Lehrmeister T. G. Masaryk zu sagen pflegte: „sub specie aeternitatis“ (unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit, Anm. d. Red.). In der kirchlichen Verlagsarbeit sah František Laichter einen wichtigen Bildungsdienst am eigenen Volk, dem der „Glaube aus dem Lesen“ verheißen ist. Der Autor erklärt in Anspielung auf das Bekenntnis des Apostels Paulus im Römerbrief („So kommt der Glaube aus dem Hören“), dass die gedruckten Zeugnisse vieler Autoren auf die richtige Ausrichtung des Lebens und gegenseitige Solidarität verweisen. Es ging ihm nicht um den sog. Kulturprotestantismus, sondern um eine Kooperation auf der ethischen Ebene.
František Laichter wollte keinen Glaubensunterricht vermitteln oder den Menschen dogmatische Formeln aufzwingen, er strebte die Zusammenarbeit auf der Ebene der Bildung, auf der Ebene einer ethischen und gesellschaftlichen Verantwortung an. Denn Bildungsliteratur bereitete seiner Ansicht nach den Weg für den Entschluss, ein verantwortliches Leben zu führen – ein Leben, das nach der Verwirklichung von Wahrheit und Gerechtigkeit strebt. Es ging um ein Leben im Bewusstsein der Verantwortung für andere – für die eigenen Zeitgenossen und für künftige Generationen –, für ihr Recht, mit anderen „sub speciae aeternitatis“ zu leben. Bei der Planung seiner Verlagsvorhaben ging es F. Laichter nicht darum, sich kommerziellen Ansprüchen anzupassen. Insbesondere bemühte er sich darum, an jene tschechischen und weltweiten reformatorischen Traditionen anzuknüpfen, die die Türen und Fenster der Kirchen öffneten, auf dass die ganze Welt weihevoll zu einem verantwortlichen Raum werde, auf dass sich die ganze Welt bewusst werde, dass wir unsere Lebensgeschichten „sub speciae aeternitatis“ leben. Bereits sein Vater hatte dieses Programm mit seiner Edition „Unserer Zeit“ (Naší doby) angedeutet, in der religiöse, kunst- und musikwissenschaftliche, historische, politische, menschenrechtliche, juristische, philologische und biblische Abhandlungen und Studien erschienen, die sich auf die Probleme des Glaubens und der ethischen Verantwortung bezogen.
Das Programm der Offenheit fand seine Fortsetzung in dem umfangreichen Projekt „Tschechische Geschichte“, an dem die bedeutenden Historiker Václav Novotný, Kamil Krofta und Josef Šusta sowie auf ihre Art auch F. M. Bartoš und Rudolf Urbánek beteiligt waren, deren Werke schon nicht mehr bei Laichter, sondern erst im sozialistischen Verlag der Akademie der Wissenschaften erschienen, ohne dass diese beiden Autoren Zugeständnisse an die marxistische Methodologie und andere ideologische Gepflogenheiten gemacht hätten.[5] František Laichter setzte das Projekt der Volkserziehung mit der Gründung der „Philosophischen Bibliothek“ und der „Gedächtnispfeiler“ fort.[6] Die „Philosophische Bibliothek“ war offen für die Zusammenarbeit mit festen Größen der tschechischen Philosophie (František Drtina), mit provokativen Denkern (Emanuel Rádl) und jungen Autoren (Jan Patočka).
Die „Gedächtnispfeiler“ waren der in- und ausländischen Reformationsliteratur gewidmet.[7]
Die ruinöse kommunistische Kulturpolitik, die schon 1945 begonnen hatte, zerstörte viele Projekte in den Bereichen Kultur, Erziehung, Justiz und Religion, nicht nur die Projekte František Laichters. Dieses Porträt sei also ein erster Schritt zu einer systematischeren Beschäftigung mit diesem originären Denker. Das Glaubensverständnis František Laichters und seine Auffassung der Rolle von Kultur und Religion sind nicht weit entfernt von der Denkerin Božena Komárková. Vielleicht werden diese beiden komplementären Persönlichkeiten ja zu „Flaggschiffen“ für den heutigen Akademischen YMCA, wo sich die beiden begegnet sind und viele Jahre gemeinsam aktiv waren. Am Ende ihres Lebens empfanden sie eine geistige Verwandtschaft, denn sie hatten ab dem Anfang der fünfziger Jahre beide nicht die einhelligen Sympathien für die neu aufkommende Gesellschaftsordnung geteilt. Ihnen war der innere Abstand sowohl gegenüber der marxistischen Gnoseologie als auch gegenüber der gesellschaftlichen Praxis gemein. Sie vermochten nicht, sich in das neue gesellschaftliche Ethos hineinzuversetzen und sprachen ihm die Fähigkeit ab, eine moderne Gesellschaft hervorzubringen. Sie hoben sich vom Optimismus der Schüler Hromádkas ab und nahmen es sich heraus, vom Bankrott der marxistischen Ideologie zu sprechen (Komárková, 1958). F. Laichter war von der Haltung seiner
Weggefährten aus der Zeit der Ersten Republik enttäuscht und sprach deshalb mit Recht von einer gewaltsam zum Schweigen gebrachten Kulturepoche, für die T. G. Masaryk und die Kultur der Zwischenkriegszeit standen. Vielleicht lassen sich ja die Mitglieder des Akademischen YMCA, aber auch alle aktiven Mitglieder der EKBB von František Laichter und Božena Komárková inspirieren und führen ihre brüderischen Intentionen fort.
Božena Komárková
Ihr gesamtes Leben war dem Kampf für die Umsetzung der Menschenrechte in der Kirche und in der säkularen Gesellschaft geweiht. Bei vielen Wohnungsseminaren und in einigen Gemeinden der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder hielt sie Vorlesungen darüber. Sie verteidigte die Legitimität der Menschenrechte in zahlreichen Briefen, Artikeln und Büchern. Mit ihrer Arbeit lieferte sie den Nachweis, dass die Religion nicht nur die Geburtshelferin der Menschenrechte ist, wie die Aufklärer behaupten, sondern dass der biblische Kanon in calvinistischer Interpretation zur Mutter der Menschenrechte wurde. Komárková zeigte, dass die Menschenrechte nicht die Frucht einer egoistischen Suche sind, die imperativisch alles Mögliche fordert, worauf der Einzelne angeblich ein Recht hat. Sie wies nach, dass Menschenrechte und Menschenwürde aus der Tradition der göttlichen Gnade in den Evangelien entspringen. Gott zeigt uns in Christus, welche Rechte wir uns selbst und anderen einräumen sollen – und schon im Dekalog ist das Recht auf Erholung am siebenten Tag unterschiedslos für alle garantiert – für Freie, Gefangene, Knechte und sogar für die Tiere.
Božena Komárková wurde 1903 geboren und wuchs in einer römischkatholischen Familie in Tišnov bei Brno auf. Sie studierte Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts an der Masaryk-Universität Brno Philosophie, Geschichte und Geographie. Während ihres Studiums fühlte sie sich vom Freidenkertum angesprochen, einer Bewegung, die jegliche Art religiöser Unterordnung ablehnte. Gegen Ende ihres Hochschulstudiums äußerten ihre Kommilitonen Zweifel an den Dogmen der Freidenker. Zwei von ihnen, J. B. Čapek und F. M. Hník, luden sie in die christliche Studentenbewegung – in den Akademischen YMCA – ein. „An seiner Spitze stand damals der junge Professor der Evangelischen Theologischen Fakultät, J. L. Hromádka. Diese Begegnung hat mich tief bewegt. Ist es einem modernen Intellektuellen noch möglich, an Gott zu glauben? Hatte T. G. Masaryk doch Recht? Was bedeutet eigentlich ,Leben unter dem Blickwinkel der Ewigkeit‘?“[8][9] Bei den Treffen des Akademischen YMCA begegnete sie der evangelischen Spiritualität und Debatten, die für sie inspirierend waren, wenn sie sich auch mitunter über die Unverständlichkeit des evangelischen Fachjargons einiger routinierter Prediger und Theologen beschwerte. Sie begann in der Religion einen Sinn und eine soziallebenspraktische Dimension zu sehen. Später sympathisierte sie mit der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder, der sie dann auch beitrat.
Ihren antifaschistischen Widerstand begriff sie als logische Umsetzung des Programms der früheren Konferenzen des Akademischen YMCA.[10] Sie engagierte sich in der Bewegung „Obroda národa“ (Erneuerung der Nation). Ihre Mitglieder waren Lehrer, aber auch Offiziere der Armee. Im Januar 1940 wurde sie festgenommen. Im Jahr 1942 – am Tag von Heydrichs Beerdigung – wurde sie wegen Hochverrats zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Fünf Jahre verbüßte sie in der Haftanstalt Javor. Nach Kriegsende wurde sie freigelassen. Aus der Kriegszeit stammt ihr Breslauer Tagebuch (Vratislavský deník), ein einzigartiges Zeugnis ihrer persönlichen Spiritualität und ihres Verantwortungsgefühls – nicht nur für ihre Mitgefangenen, sondern auch für das Schicksal des vom Krieg verwüsteten Europas. Den Nationalsozialismus hielt sie vom ersten Moment seines Wirkens an für eine Revolte gegen Recht und Gerechtigkeit. Nach der Befreiung der Haftanstalt Javor kehrte sie nach Mähren, nach Brno, zurück. Als eine von wenigen wurde sie jedoch erst im Juni 1945 von der Sowjetarmee freigelassen. Sie musste auf der sowjetischen Kommandantur helfen, Landkarten zu korrigieren.
In den Jahren 1945–1948 war sie Lehrerin an einem Gymnasium in Brno, danach wurde sie in die Untere Mittelschule in Brno-Husovice und später in eine Bibliothek versetzt, damit sie als ideologisch unzuverlässige Person keine Möglichkeit hatte, auf die Jugend einzuwirken. In dieser Zeit fand unter der Losung „77 000 Menschen in die Produktion“ die erste von den Kommunisten organisierte Säuberung unter Lehrern, Juristen und anderen intellektuell tätigen Bürgern statt. Komárková war nicht die einzige Betroffene. Ab 1951 wurde sie in den Vorruhestand geschickt, was mit ihrer hohen, im Krieg erlittenen Invalidität begründet wurde.
Ihre umfangreiche Bildung nutzte sie in den fünfziger Jahren, um bei evangelischen Arbeitsrüstzeiten im Altvatergebirge zu unterrichten. In den sechziger Jahren wurde sie in den theologischen Beirat der EKBB gewählt und war an den Vorbereitungen für die Einberufung der Synoden beteiligt. Zur selben Zeit wurde sie Mitglied der Synodalkommission für die Neuformulierung der „Grundsätze der EKBB“. Dabei war sie für die Niederschrift der Abschnitte über Staat, Recht, Gerechtigkeit und Verantwortung für diese Welt zuständig, wobei sie sich klar auf das calvinistische Rechts-, Kirchen- und Staatsverständnis stützte. In den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts beteiligte sie sich an der Organisation der Wohnungsseminare in Brno.
Sie unterschrieb gleich in der ersten Unterzeichnungswelle die Charta 77 und wurde nicht müde, den evangelischen Christen und der breiteren Öffentlichkeit die Gründe ihrer Entscheidung für die Charta darzulegen. Sie schrieb Briefe an die kirchlichen Funktionäre und forderte sie auf, die bürgerschaftlichen Positionen der Unterzeichner und Sympathisanten der Charta 77 zu unterstützen. Sie durfte nicht ins Ausland reisen, und so erhielt sie 1982 in Abwesenheit den Ehrendoktortitel für Philosophie der Basler Universität. In der Begründung sagte Professor Klaus Seybold im Auftrag des Rektors der Basler Universität Professor J. M. Lochman, sie werde Doktorin der Philosophie, weil sie als Philosophin sowohl durch ihre schriftlichen Arbeiten als auch durch ihr Handeln gezeigt habe, dass es unerlässlich sei, das den Menschen heilige Recht so gewissenhaft wie möglich zu bewahren; – denn als Theologin habe sie ihrer Kirche wirksam geholfen, mithilfe der Evangelien den Herausforderungen der Welt die Stirn zu bieten; – denn als Christin habe sie viele Menschen durch ihr herausragendes Vorbild gelehrt, wie sie den Versuchungen ihrer Zeit widerstehen und Gefahren abwenden können.[11] Nach 1989 setzte sie ihre pädagogische Tätigkeit fort, indem sie Zeitschriften, u. a. der unabhängigen Zeitschrift Protestant, deren dankbare Leserin sie war, Interviews gab. Im Jahr 1992 wurde sie aufgrund ihrer Bücher Das Gemeinwesen bei Platon und Augustinus (Obec Platónova a Augustinova) und Ursprung und Bedeutung der Menschenrechte (Původ a význam lidských práv) zur Dozentin für Philosophiegeschichte an der Masaryk-Universität Brno ernannt. Božena Komárková konnte sich aber nicht mehr dazu entschließen, an der Universität Brno Vorlesungen zu halten. Sie gab an, nicht mehr genug Kraft für eine so anspruchsvolle Arbeit zu haben.
Božena Komárková ist Trägerin des T.-G.-Masaryk-Ordens III. Klasse – für herausragende Verdienste um Demokratie und Menschenrechte – 1991. Außerdem ist sie Trägerin der Medaille der Karlsuniversität – 1994. Die EvangelischTheologische Fakultät Prag bekannte sich zu Božena Komárková auch mit einer Reihe von Seminaren und Vorlesungen über ihr Werk, die in den letzten zehn Jahren für in- und ausländische Studierende angeboten wurden. Einige ihrer Aufsätze wurden ins Englische und Deutsche[12] übersetzt und sind nach wie vor Studiengegenstand.
Ihr Werk scheint zur Inspiration für die allmählich anbrechende Zeit der absoluten Trennung von Staat und Kirche zu werden. Ihre Theorien zum Recht und zum biblischen Gesetz, über den calvinistischen Beitrag zur Frage der Trennung von Staat und Kirche werden nach wie vor rezipiert und sind richtungsweisend.
Die Vorlesungen über das biblische ethische Denken, die bei den Bibelstunden im Rahmen der Arbeitsrüstzeiten im Altvatergebirge in den 50er Jahren stattfanden, wurden von Pfarrer Jan Čapek festgehalten und werden nun nach und nach in einer Sammeledition mit den Schriften Božena Komárkovás herausgegeben. Für eine breitere kirchliche Öffentlichkeit schrieb die Autorin in den „Grundsätzen der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder“ (1968)[13], in denen einige Kapitel ihr Werk sind, auch wenn die „Grundsätze“ ansonsten mit dem Namen J. L. Hromádka unterzeichnet sind, über Gottes Gnade und Gerechtigkeit.[14] In ihrer Dissertation und in der nicht eingereichten, aber niedergeschriebenen Habilitationsarbeit[15] untersuchte sie, wie sich philosophisch gebildete Denker (Augustinus, J. A. Comenius, J. Locke, T. G. Masaryk u. a.) dem Thema biblische ethische Werte näherten und ob sie diese Werte auf angemessene Weise an ihre Zeitgenossen weitergaben.
In anderen Texten beschäftigte sie sich mit den Argumenten von Denkern, die sich mit dem Problem von Macht, Recht und Gerechtigkeit auseinandergesetzt haben. Sie drang zum Kern von deren Verständnis der gesellschaftlichen Erscheinungen ihrer jeweiligen Zeit vor, um sie dann mit der euro-amerikanischen Reformationstradition zu konfrontieren, die sich um die Formulierung und Umsetzung demokratischer Prinzipien verdient gemacht hat, wie die Trennung von Staat und Kirche, die Ablehnung der absoluten Herrschaft von Staatsmännern, das Vertrauen auf die Herrschaft des Gesetzes und das Respektieren der Würde des Menschen durch die Anerkennung seiner Menschenrechte. Sie führte in vielen Artikeln ein Gespräch mit verschiedenen Philosophen (Platon, J. Locke, A. Comte, K. Marx, T. G. Masaryk, J. P. Stucki, P. T. de Chardin, L. Ranke) und Theologen (A. Augustinus, J. Calvin, K. Barth, D. Bonhoeffer, E. Fuchs) sowie mit den Autoren philosophisch-rechtlicher Reflexionen (Vier Prager Artikel, Toleranzpatent, Allgemeine Menschenrechtserklärung, Charta 77 und Dokumente der Charta 77). Die erwähnten Texte konfrontierte sie mit der biblischen Botschaft von der Freiheit, die Gott dem Menschen im Verstehen der Bedeutung des Opfers Christi für diese Welt anbietet.
Božena Komárková verwies ihr Leben lang auf die Quelle der menschlichen Verantwortung, die in der Bibel bezeugt wird. Sie durchdachte den Sinn des Opfers Christi und erkannte seine Bedeutung für die Würde des Menschen. So zeigte sie, dass das Wirken der Gerechtigkeit Gottes in dieser Welt und ihre besondere Verflechtung mit der menschlichen Gerechtigkeit, insbesondere mit der Barmherzigkeit und dem Dienst vieler Christen, neu verstanden werden muss. Die menschliche Gerechtigkeit wurde für sie zum Dauerthema, obwohl die Gerechtigkeit zu ihren Lebzeiten zahlreiche Erschütterungen erfuhr – und das überall auf der Welt, besonders aber in den sozialistischen Ländern, wie sie 1958 bei einer ihrer grundlegenden Rekapitulationen anmerkte.[16] Die marxistische Ablehnung der jahrhundertealten Rechtskultur und ihre Ersetzung durch den Parteiapparat bezeichnete Komárková als riskantes Experiment, das schon ganz zu Anfang gescheitert sei, denn es habe keine größere Gerechtigkeit gebracht, wie es sich die Marxisten erträumt hatten, sondern kodifizierte die totale Diktatur des Staatsapparats, der sich auch die Justiz und die Gesetzgebungskompetenz unterwarf.
Komárková verwies ihr Leben lang auf die biblischen Texte, um den Gerechtigkeitstheoretikern einen neuen Horizont zu eröffnen, der in Barmherzigkeit und Vergebung bestand. Sie verwies auf die Gerechtigkeit Gottes, auf die transzendente Dimension, die die Autorität der irdischen Gerechtigkeit verbürgt. An den Menschen ergeht der hörbare Aufruf, kein Mensch solle das Recht allein zur Durchsetzung seiner eigenen Macht missbrauchen. Komárková verwies unzählige Male auf Gottes Gerechtigkeit, die den Menschen immer wieder überrascht, denn sie gesteht auch dem Sünder seine Würde zu – „für den Christen bleibt auch der verurteilte Verbrecher ein Bruder, für den er verantwortlich ist, und er befiehlt ihn der göttlichen und menschlichen Vergebung an.“[17] In einem umfangreicheren Text, der die Vorlage für das obige Zitat aus einer gekürzten Version der „Grundsätze“ bildete, äußerte sich Komárková zu dieser Problematik im Kontext des biblisch-geschichtlichen Glaubensdenkens: „Es ist jedoch ein hartes und furchtbares Recht, wenn es nur ein Befehl Gottes bleibt. In Christus wird es barmherzig. Seine letzte Instanz ist nicht die Gerechtigkeit, sondern die Gnade.“[18]
Laut Komárková hängt also die Gerechtigkeit eng mit der transzendierenden Gnade und Vergebung zusammen. Sie verweist nicht auf Gott, sondern auf das Geheimnis der Vergebung, die nicht durch menschliche Erfahrung und Weisheit generiert wird, sondern durch das von der Macht des Evangeliums sensibilisierte Gewissen unerwartet in diese Welt kommt. Das Evangelium wirkt wie eine Amnestie.[19] Durch die verborgene Macht der Vergebung werden die Gläubigen und Ungläubigen angesprochen und jeder antwortet frei auf seine eigene Weise. Diejenigen, die dank dieser Macht barmherzig werden, sind ein lebendiges Zeugnis für Gottes Fürsorge für diese Welt, ein Zeugnis, das vor allem für die Augen des Glaubens erkennbar ist.
In den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kamen in ihrer Wohnung in der Pekařská-Straße in Brno viele Menschen zusammen. Sie debattierten nicht nur über ihre Texte, sondern diskutierten auch die Umweltprognosen des Club of Rome und andere brennende Themen. Es trafen sich evangelische und katholische Freunde und auch Menschen aus nichtkirchlichen Kreisen. Sie kamen zusammen, weil sie sich nicht mit der zunehmenden „Normalisierung“ der Gesellschaft abfinden wollten – mit der politischen Arroganz, der kulturellen Geistlosigkeit, der Verlogenheit der staatlichen Medien, mit der Schikane und Diskriminierung im Arbeitsleben, in der Schule oder beim obligatorischen Grundwehrdienst.
Manche Debatten waren so umfassend und anspruchsvoll, dass man eigentlich schon von einem privaten Wohnungsseminar sprechen konnte. Božena Komárková reihte sich damit nach der sehr kurzen Zäsur der sechziger Jahre wieder in die inoffizielle Oral- und Samisdatkultur ein, von der nur Erinnerungen und SamisdatSchriften geblieben sind. Davon zeugt ein Buch, das nach 1989 erschienen ist: „Božena Komárková und ihre Gäste“ (Jiří Müler: Božena Komárková a její hosté).
Während bei der Vollversammlung des Weltkirchenrates in Amsterdam 1948 J. L. Hromádka noch daran erinnert hatte, dass in einem gerechten Gesellschaftssystem Disziplin manchmal wichtiger ist als die Menschenrechte,[20] und darüber hinaus in verschiedenen Gremien in der Tschechoslowakei die Kirchen mahnte, der Liberalismus sei zu Ende, die westlichen Demokratien hätten ihre Ideale verraten und es sei notwendig, den Urhebern neuer Ordnungen Gehör zu schenken,[21] so wurde nun 1976 in Helsinki (28 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und sieben Jahre nach dem Tod J. L. Hromádkas) und diesmal in Anwesenheit der Vertreter der sozialistischen Ostblockstaaten unfreiwillig von den staatlichen Behörden eingestanden, dass die sozialistische Ordnung grundlegend reformiert werden müsse. Es wurde deutlich, dass die bisherige sozialistische Gerechtigkeit nicht das Niveau der Rechte und Freiheiten der westlichen Deklarationen und Pakte erreichte.
Komárková nahm das Gründungsdokument der Charta 77 mit Erleichterung auf, wie sie selbst in einem Brief schreibt. Die politisch verantwortungsvollsten Atheisten und Gläubigen in der Tschechoslowakischen Republik übernahmen eine Funktion, die eigentlich die Kirchen – einschließlich der römisch-katholischen Kirche und der EKBB, denn diese beiden hatten es sich ausdrücklich auf die Fahnen geschrieben (Enzyklika Johannes XXIII. – Pacem in terris, Grundsätze der EKBB) – in der Gesellschaft hätten ausüben sollen. Dies hätte auch dem Geist des schweizerischen Calvinismus und des amerikanischen Puritanismus des 17. und 18. Jahrhunderts entsprochen, ggf. auch dem Geist der amerikanischen Erneuerungsbewegung Martin Luther Kings, dessen zahlreiche Reden bekannt waren, und auch viele Lieder dieser Bewegung wurden in den Jungen Gemeinden der EKBB gesungen (Liederbuch Nová píseň, später Svítá).
Die Charta 77 lud zu einem freien und würdevollen Leben ein, zur Umsetzung der Rechte und Gesetze, zu denen sich die politischen Vertreter der Tschechoslowakei beim internationalen Forum und mit dem Gesetz Nr. 120/1976 GBl. verpflichtet hatten. Die Chartisten bestätigten, dass die durch dieses Gesetz garantierten Rechte und Freiheiten die Grundlage für ein neues Ethos bildeten, ohne das die gegenwärtige Gesellschaft nicht auskomme.
Božena Komárková verfasste anlässlich der Charta 77 einen kurzen Text: Ad informandum zu den Folgen der Unterzeichnung der Charta 77 im Falle von Frau Dr. Božena Komárková, Professorin a. D., geboren 1903, wohnhaft in Brno.[22] Etwas über die Reaktion der kirchlichen Gemeinschaft der EKBB auf die Charta 77 erfahren wir in den gesammelten Schriften Über die Freiheit des Gewissens (O svobodu svědomí), insbesondere im Passus Difficile est … 23 Der letztgenannte gewichtige Brief wurde später im Exil von Vilém Prečan im Buch Křesťané a Charta 77, 1980, Index, herausgegeben.2[23][24][25] In diesem Buch wurde auch ein Essay über die Bedeutung der Charta 77 veröffentlicht, den der evangelische Pfarrer Milan Balabán verfasst hatte, dem die staatliche Genehmigung für den Pfarrdienst entzogen worden war. Ein weiterer wichtiger Brief, den Božena Komárková in dieser Zeit schrieb, war an den ersten der drei Sprecher der Charta 77, Jan Patočka, gerichtet.[26]
Die Charta 77 unterzeichneten in der ersten Welle – also noch vor dem 1. 1. 1977– neben vielen Atheisten auch einige evangelische und katholische Laien, Pfarrer und Priester. Die Charta hatte in der evangelischen Kirche relativ viele Sympathisanten, wenn auch die Mehrheit der EKBB misstrauisch auf die Charta 77 blickte und sie als etwas Unrealistisches betrachtete, das keine Zukunft habe.
Der Staatsapparat „normalisierte“, deformierte also die Gesellschaft schon fast zehn Jahre und erkannte die Charta 77 nicht als eine für die Gesundheit der Gesellschaft wichtige gesellschaftliche Instanz, sondern bezeichnete sie als ein gefährliches Instrument zur Destruktion der sozialistischen Gesellschaft. Leider sahen auch die Kirchenleitung, die Senioratsvertretungen, die Synode und oft auch die Gemeindevorstände, ebenso die Evangelische Fakultät und andere theologische Fakultäten in der Charta 77 nicht die ausgestreckte Hand, die sich für die gesellschaftliche Aufgabe des Schutzes der Gerechtigkeit in der Gesellschaft einsetzte. Insbesondere die EKBB hätte die Charta 77 in der Intention der „Grundsätze der EKBB“ und in der Intention der Grundsätze der reformierten und puritanischen Kirchen der Vergangenheit wiedererkennen können. Auch aus der Kulturszene bekannten sich nur sehr wenige Persönlichkeiten zur Charta 77, von den Theater- und Fernsehschauspielern fast niemand, und die meisten aus den Medien bekannten Schauspieler, einschließlich Jan Werich, unterzeichneten, angeführt vom Sänger Karel Gott, die sog. Anticharta, in der die grundsätzliche Ablehnung der Initiativen der Charta 77 zum Ausdruck gebracht wurde. Die Anticharta war vom Zentralkomitee der kommunistischen Partei erzwungen worden und die meisten Künstler fügten sich den kulturellen Normen der Partei und damit der „Normalisierung“. Natürlich gab es auch Künstler und Philosophen, die die Charta 77 unterzeichneten, zum Beispiel der Dichter Jaroslav Seifert und der Philosoph Jan Patočka.
Der Synodalrat der EKBB schrieb zunächst in einem offiziellen Brief, er habe sich bereits wiederholt zu Gerechtigkeitsfragen geäußert und seine grundsätzliche Meinung bereits ausgesprochen und publiziert, sodass er nicht zur Charta Stellung nehmen werde. Dennoch drängte der Staatsapparat den Synodalrat schließlich zu einer Erklärung, in der die Charta 77 abgelehnt wurde.
Božena Komárková rekapitulierte im Juli 1977 die Ansichten der Unterzeichner der Charta 77 und der kirchlichen Institutionen in dem Brief „Difficile est …“. Der Brief war an einen kirchlichen Vertreter, den Synodalsenior Dr. theol. Václav Kejř, gerichtet, mit dem Frau Komárková in einem regen schriftlichen Austausch stand und mit dem sie mehrere Gespräche führte, die die Stellung der Kirche in der „normalisierten“ Gesellschaft zum Gegenstand hatten.
Komárková betrachtete die erste Hälfte des Jahres 1977 als wichtige Zeit der Zuspitzung – als status confessionis, in dem es um die Identität der Kirche ging. Zusammenfassend behandelte sie die christlich-reformatorische Vergangenheit und die Aufgaben, die nach wie vor aktuell waren. Dabei knüpfte sie an die Gedanken an, die 1968 in den „Grundsätzen der EKBB“ geäußert worden waren. Deshalb sprach sie nun vom gewaltlosen Widerstand der Gläubigen gegen „ungerechte Gerechtigkeiten“, gegen einen schlecht funktionierenden, repressiven Staat.
Das Konzept der Gerechtigkeit und der Rolle der Kirche in der „normalisierten“ Gesellschaft, wie es im Brief „Difficile est …“ vom Juli 1977 umrissen wurde, ist also die logische Fortsetzung der „Grundsätze der EKBB“. Komárková macht darauf aufmerksam, dass sich die Kirche gerade in Krisenzeiten zu ihrem Wächteramt bekennen und die Gesellschaft nach Art der Propheten zur Gerechtigkeit rufen sollte. Diese Aufgabe wird von der Schrift und den tschechischen und weltweiten Reformatoren bezeugt. Komárková macht Synodalsenior Kejř auf einen ihm bekannten Umstand aufmerksam, dass nämlich die prophetische Funktion der Kirche von der schweizerischen und französischen calvinistischen Reformation sowie von der puritanischen niederländischen, schottischen und neuenglischen Gesellschaft durchdacht und umgesetzt wurde. Unter den Puritanern und Calvinisten galt der Grundsatz, dass die Gläubigen potenzielle Wächter über die Gerechtigkeit sind. Die prophetische Aufgabe der Kirche kam in der gesellschaftlichen Verantwortung der Gläubigen zum Ausdruck. Sobald die staatlichen Institutionen die Gerechtigkeit und ihre Umsetzung aus den Augen verlören, sollten diejenigen, deren Gewissen regelmäßig von der biblischen Botschaft angesprochen wurde, wachsam sein und mit großem Nachdruck darauf aufmerksam machen. So sollten sie z. B. auch durch Petitionsaktionen die anderen zu Aktionen bewegen, die die staatlichen Institutionen dazu brächten, wieder ihre Aufgaben wahrzunehmen, damit die Menschen in ihrem Staat ruhig leben können, so wie es schon die biblischen Autoren im 1. Timotheusbrief 2,2 formulierten: „damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.“
Zu einer die ganze Kirche umfassenden Versöhnung kam es allerdings weder damals noch später. Die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder lebte in einer faktischen Spaltung, ohne sich das jemals eingestehen zu wollen. Erst nun, seit dem Jahr 2009, kommt es dank der Kommission „Der Weg der Kirche seit 1945“ zu neuen Schritten auf dem Weg zu einer gesamtkirchlichen Aussöhnung. Diese Kommission ist nach 1989 bereits die zweite und sie ist auf ihre Art insofern erfolgreich, als es in der EKBB zu einem friedlichen Dialog über die Vergangenheit kommt.
Ladislav Hejdánek
Der engagierte Philosoph
Ladislav Hejdánek wurde am 10. 5. 1927 in Prag geboren. Zu einer intensiven Vertiefung in die Tradition der Evangelien kam es insbesondere im „Akademischen YMCA“ (eine besondere Untergruppe der internationalen Organisation YMCA – des Christlichen Vereins Junger Männer). Sein akademisches Studium begann er nach dem Zweiten Weltkrieg an der wiedereröffneten Prager Universität mit dem Studium der Mathematik, schon bald wechselte er jedoch an das Institut für Philosophie und Soziologie. Seine Lehrer waren Jan Blahoslav Kozák und Jan Patočka. Im Jahr 1952 verteidigte er seine Dissertation „Das Verständnis der Wahrheit und einige seiner ontologischen Voraussetzungen“ (Dr. phil.). In der kommunistischen Tschechoslowakei konnte er nicht als Philosoph tätig werden, denn er war weder Marxist noch Kommunist. Eine Zeit lang arbeitete er als Straßen- und Bauarbeiter. Nach dem Grundwehrdienst arbeitete er in der Dokumentationsabteilung des Instituts für Epidemiologie und Mikrobiologie. Im Jahr 1953 heiratete er Heda Kofránková und sie zogen gemeinsam vier Töchter groß.
Ende der fünfziger Jahre war er einer der Mitgründer einer freien Gemeinschaft, die sich später „Neue Orientierung“ nannte. Gemeinsam mit anderen ehemaligen Mitgliedern des Akademischen YMCA, Kollegen und Pfarrern, und unter der geistlichen Schirmherrschaft J. L. Hromádkas bemühte er sich in der damaligen volksdemokratischen (ab 1960 sozialistischen) Gesellschaft um eine Interpretation der Botschaft der Evangelien für die von zahlreichen Vorurteilen und Missverständnissen geprägten aktuellen Verhältnisse. Sie wollten einen Dialog mit denen führen, die ab der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre (nach den Ereignissen in Ungarn und nach der Tagung des Schriftstellerverbandes 1956) begannen, den ideologischen und kulturellen Panzer langsam etwas zu öffnen. Außerdem erkannten sie die Notwendigkeit, Kontakte zu europäischen kulturellen und religiösen Kreisen zu knüpfen. Aus dem Kreis der „Neuen Orientierung“ seien in alphabetischer Reihenfolge zumindest einige genannt: Jan Čapek, Milan Balabán, Vladimír Kalus, Alfréd Kocáb, Jaroslav Pfann, Jaromír Procházka, Ladislav Pokorný, Miroslav Rodr, Jan Šimsa, Jakub S. Trojan. Sie wollten die Kirche zu kritischer Verantwortung und zu einer Verbundenheit mit der sozialistischen Gesellschaft animieren. Ende der sechziger Jahre gehörten sie zu den Sympathisanten eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“, denn die Voraussagen J. L. Hromádkas über die Reformierbarkeit des Marxismus schienen sich zu bewahrheiten. In erster Linie ging es ihnen allerdings um eine neue, dem modernen Menschen angemessene Interpretation des Evangeliums. Um eine verständliche und offene Kommunikation bemühten sich auch andere Kirchenmitglieder, wie Božena Komárková, Miroslav Bula und Jan Amos Dvořáček.
Ladislav Hejdánek gehörte zu den Mitorganisatoren der Donnerstagsrunden im Studentenwohnheim der Theologischen Fakultät. Dorthin kamen evangelische und ökumenische Freunde, oft Katholiken, wie Jiří Němec, Zdeněk Bonaventura Bouše, Václav Frei, Karel Floss, Jan Sokol, Václav Konzal, Oto Mádr (dieser gab ab 1978 im Eigenverlag die Theologischen Texte heraus). Ladislav Hejdánek beteiligte sich am Dialog zwischen Christen und Marxisten, insbesondere mit Karel Kosík und Milan Machovec. Am Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie veranstaltete er für die Mitarbeiter mehrere Abende mit Gästen (I. Klíma, L. Vaculík u. a.), was das Missfallen der Staatssicherheit erregte, die damals alle Aktivitäten nichtmarxistischer Intellektueller heimlich beobachtete und zu verhindern versuchte. In den sechziger Jahren publizierte er Aufsätze und philosophische Texte in Zeitschriften, die über die Grenzen der marxistischen Ideologie hinausgingen, vor allem die Zeitschriften Tvář, Plamen, Vesmír, Literární noviny, Slovenské pohľady, Mladá tvorba, Dějiny a současnost, Sešity, Hudební rozhledy, Křesťanská revue. Auf Empfehlung des Philosophen Jan Patočka konnte er Ende der sechziger Jahre am Philosophischen Institut der Akademie der Wissenschaften der Karlsuniversität arbeiten (1968–1971) und gleichzeitig an der Evangelisch-Theologischen Comenius-Fakultät unterrichten (1970). Bereits ab dem Ende der sechziger Jahre organisierte er philosophische Wohnungsseminare. Von 1980 bis 1989 fanden jeden Montag Seminare mit zahlreichen Gästen wie Paul Ricœur, Theo de Boer und anderen statt. Im April 1971 wurde er aus der Akademie der Wissenschaften entlassen und im November 1971 inhaftiert. In der Haft verfasste er seine „Hefte“, die Einführung in das Philosophieren (Úvod do filosofování).[27] Er wude gemeinsam mit dem Pfarrer Jaromír Dus, dem Historiker Jan Tesař, dem Ex-Politiker Jaroslav Šabata und noch vielen anderen wegen Aufbewahrung und Verbreitung von Flugblättern verurteilt. Die Bürger wurden in diesen Blättern auf ihr Recht aufmerksam gemacht, nicht zur Wahl zu gehen oder die Namen auf der Kandidatenliste durchzustreichen. Hejdánek und Dus gehörten weder zu den geistigen Vätern noch zu den aktiven Verteilern der Flugblätter, aber sie ließen ihre Freunde die Flugblätter vorübergehend bei sich einlagern. Ladislav Hejdánek wurde zu neun Monaten Haft verurteilt (wegen Aufwiegelei, drei Monate wurde ihm per Präsidentenamnestie erlassen), Jaromír Dus zu 15 Monaten (wegen Zersetzung der Republik, die von der Amnestie ausgenommen war).
Nach der Entlassung arbeitete er als Nachtwächter, Heizer und Lagerarbeiter. In der Ära der Samisdat-Schriften gab er unzählige Artikel und Aufsätze heraus. Im Jahr 1985 begann er, im Eigenverlag die philosophische Zeitschrift Reflexe (Reflexionen) herauszugeben. Er war Gründer und prägendes Mitglied des Redaktionsbeirates des Samisdatverlags Oikúmené, der nach 1989 in einen regulären Verlag für theologische und philosophische Literatur in Prag umgewandelt wurde. Hejdánek gehört zu den geistigen Vätern der Charta 77 und war zweimal deren ordentlicher Sprecher. Nach 1989 lehrte er als Professor an der Philosophischen Fakultät und ab 1996 als
Dozent an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Karlsuniversität Prag. Im Jahr 1984 wurde ihm der Jan-Palach-Preis verliehen, 1987 die Ehrendoktorwürde der Universität Amsterdam, 1992 der französische Ritterorden für Kunst und Literatur und 1995 der Masaryk-Orden. Im Jahr 2010 erhielt L. Hejdánek von der PurkyněUniversität Ústí nad Labem die Ehrendoktorwürde für seine lebenslangen Verdienste um die tschechische Philosophie und Demokratie. In dieser Zeit lebte Professor Hejdánek bereits in der südböhmischen Stadt Písek. Weil es für ihn schwierig war, nach Ústí zu reisen, kamen die Vertreter der Universität nach Südböhmen und die Verleihung fand in Anwesenheit der Rektorin, der Dekanin und anderer Vertreter der Purkyně-Universität Ústí nad Labem im Festsaal in Písek statt. In Písek leben Ladislav Hejdánek und seine Frau bis heute.
Der YMCA und Emanuel Rádl
Nicht unerwähnt bleiben soll auch der prägende Einfluss des Akademischen YMCA, den dieser nicht nur auf die Generation Ladislav Hejdáneks, sondern auch auf viele weitere Generationen hatte. Zwar wurde er 40 Jahre lang mundtot gemacht, lebte aber punktuell beispielsweise in den evangelischen Arbeitsrüstzeiten weiter, teilweise auch in den Bibelkursen, die mal von der Kirche, mal von engagierten Einzelpersonen veranstaltet wurden. Der YMCA (Young Men‘s Christian Association, Christlicher Verein Junger Männer) ist schon seit Jahrzehnten eine weltweite Jugendorganisation. Heute hat er 40 Millionen Mitglieder in 124 Ländern. Er arbeitet auf der Grundlage ökumenischer Prinzipien. Der YMCA war in den böhmischen Ländern ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter der Bezeichnung „Christlicher Verein Junger Männer“ oder „Christliche Jugendvereinigung“ tätig. Unter dem Namen YMCA bestand er im Rahmen der Tschechoslowakischen Legionen in Russland. In der tschechoslowakischen Armee war er bis 1921 in 39 Garnisonen aktiv. Auf Druck Frankreichs hin wurde 1921 die Tätigkeit des angloamerikanischen YMCA eingestellt. Alice Masaryková regte 1921, mit der tatkräftigen Unterstützung T. G. Masaryks und V. M. Havels, die Gründung eines tschechoslowakischen Ablegers von YMCA und YWCA (Christlicher Verein Junger Frauen) an. In Prag, Brno und Bratislava wurden Freizeitheime gebaut. In 14 Städten verrichteten YMCA und YWCA zivile Arbeiten. Außerdem machten sie sich um die Verbreitung von Volley- und Basketball sowie weiterer Sportarten verdient. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten beide Organisationen rund 20 000 Mitglieder. Im Jahr 1951 mussten sie ihre Tätigkeit einstellen und konnten sie erst nach 1989 wieder aufnehmen. Im Rahmen des YMCA entstand in den zwanziger Jahren der sogenannte Akademische YMCA. Dieser veranstaltete regelmäßig Konferenzen für Hochschulstudenten. Führende Persönlichkeiten der Vorkriegszeit waren für viele Jaroslav Šimsa (+1945), J. L. Hromádka (+1969) und E. Rádl (+1942). Der Student Ladislav Hejdánek reifte gedanklich in der Auseinandersetzung mit den Texten Emanuel Rádls. Er studierte seine Arbeiten und schrieb während des Zweiten Weltkriegs sein Werk Der Trost aus der Philosophie (Útěcha s filosofie) auf der Schreibmaschine ab. Im Jahr 1965 verfasste Hejdánek die Studie Wahrheit und Praxis bei Emanuel Rádl (Pravda a praxe u Emanuela Rádla),[28] 1969 rekapitulierte er Rádls Bedeutung in der Studie Der Trost aus der Philosophie.3 Auch an der Schwelle zum dritten Jahrtausend bekannte sich Hejdánek wieder zu Rádls Philosophiekonzept als „Programm für eine Veränderung der Welt“. Der Kern des Wandels der Philosophie war Rádls Vision von einer neuen Metaphysik bzw. von einem gegenstandslosen Denken.
Auch in der Nachkriegszeit war der Akademische YMCA von prägender Bedeutung. Ladislav Hejdánek begegnete dort vielen Weggefährten: B. Komárková, František Laichter und J. L. Hromádka. Mit Jakub S. Trojan dagegen hatte er bereits am Gymnasium in der Slovenská-Straße im Prager Stadtteil Vinohrady in derselben Bank gesessen und ihr gemeinsamer Weg ist vom Dialog zwischen dem Philosophen und dem Theologen durchzogen, wovon die Samisdat-Zeitschrift Reflexe zeugt, die auch nach 1989 noch einige Jahre herausgegeben wurde. Vielen Studenten wies der Akademische YMCA ihren spirituellen Weg, obwohl sich der Verein nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in einer solchen Breite entwickelte, denn die Verluste durch den Krieg waren erheblich (Jaroslav Šimsa, Emanuel Rádl und andere). Ladislav Hejdánek beteiligte sich aktiv am Leben des Akademischen YMCA und war in den Jahren 1949 und 1950 der letzte Vorsitzende seines Prager Verbandes.
Auch mit J. L. Hromádka setzte sich Ladislav Hejdánek sein Leben lang auseinander, aber er war für ihn nicht so prägend wie E. Rádl. Er schätzte insbesondere seine Antrittsvorlesung von 1928 zum Thema „Das Problem der Wahrheit im theologischen Denken“, weshalb er auch später die kritischen Artikel Wahrheit und Wirklichkeit (Pravda a skutečnost)[29] und Glaube und Welt bei J. L. Hromádka (Víra a svět u J. L. Hromádky) verfasste. Er begründete, warum insbesondere Hromádkas Gedanken aus der Zeit der Ersten Republik nach wie vor inspirierend sind. Zu Hromádkas religionspolitischer Strategie nach 1948 äußerte sich Hejdánek mehrfach. In diesem Zusammenhang sei an seine kurze, aber nur bis zu einem gewissen Punkt wohlwollende Einschätzung seiner Ansichten in den Briefen an einen Freund (Dopisy příteli) erinnert. Im Artikel Zu den Gesprächen über J. L. Hromádka3 (K rozhovorům o J. L. Hromádkovi) äußert er sich strukturiert über dessen politischen, moralischen und intellektuellen Irrtum. Die Diskussion (80er Jahre) hält er nicht für ausreichend umrissen und schon gar nicht für voll entfaltet oder gar abgeschlossen. Auch hier rät er aber dazu, bei Hromádkas Standpunkten aus der Zeit der Ersten Republik zu verharren.
Für die theologische und philosophische Öffentlichkeit machte sich Ladislav Hejdánek um die Veröffentlichung des Buches Ursprung und Bedeutung der Menschenrechte (Původ a význam lidských práv) von Božena Komárková verdient, das in den 90er Jahren und der ersten Dekade des dritten Jahrtausends an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Karlsuniversität Prag in theologischen Seminaren behandelt wurde. Dort fand 2004 eine internationale Konferenz über die Menschenrechte statt, an der Ladislav Hejdánek teilnahm und bei der er eine Vorlesung zum Thema „Human Rights and Patočka’s Negative Platonism‘“ hielt.[30]
Die Charta 77
Das gesellschaftliche Engagement Ladislav Hejdáneks reicht bis in seine frühen Studentenjahre zurück. Im Februar 1948 nahm er an einem Marsch auf die Burg teil. Rund 200 Studierende gingen damals zu Präsident Beneš, um ihn zu bitten, die Rücktrittserklärungen der nichtkommunistischen Minister nicht anzunehmen. Nach 1948 gehörte er zu denen, die in ihrem Leben die meiste Zeit nicht die Möglichkeit hatten, in ihrem Fach zu arbeiten, mit Ausnahme von drei Jahren Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre und dann wieder nach 1989.
Hejdáneks Gewissen wurde nicht erst durch die Charta 77 geschärft, sondern bereits in seiner Jugend durch Masaryk, Rádl und den Akademischen YMCA, durch die EKBB-Gemeinde im Prager Stadtteil Vinohrady sowie in den 70er Jahren durch das evangelische Umfeld der Gemeinde Prag-Vršovice, insbesondere durch die Predigten des evangelischen Pfarrers Jaromír Dus. Ladislav Hejdánek war sehr viel am Leben der Kirche gelegen. Er war nicht nur ein Mitläufer. Mehrmals hielt er im Sonntagsgottesdienst Lesepredigten, was laut Kirchenordnung solchen Laien gestattet ist, die das Vertrauen der Gemeinde und ihres Pfarrers genießen.
Hejdánek versuchte weder zu Zeiten der „Normalisierung“ noch später, eine politische oder gar christliche politische Partei zu gründen. Bei den ersten freien Wahlen nach 1989 merkte er mit einem Lächeln an, dass jede christliche Partei, wenn sie ihrem christlichen Programm treu ist, die Wahl verlieren muss und keine leeren Versprechungen machen darf. Sonst sei mit ihr etwas nicht in Ordnung. Die bürgerschaftliche Verantwortung unter den Christen wollte er auf anderem Wege durchsetzen. Den Weg einer politischen Umgestaltung der Gesellschaft deutete er schon vor der Samtenen Revolution in seinen Briefen an einen Freund an:
„Bei der Charta 77 geht es nämlich überhaupt nicht um eine Unterschrift, schon gar nicht an erster Stelle. Im Geiste der Charta 77 zu handeln und zu leben ist auch ohne Unterschrift ganz gut möglich. Und es ist möglich, zu unterschreiben und dann durch sein Handeln dem Kreis der Charta den Rücken zu kehren. Ziel der Charta ist es nicht, so viele Unterschriften wie möglich zu ergattern, sondern möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, dass sie dem Staat wie freie, tapfere Bürger gegenübertreten können und sollen und dass sie sich vor allem ihren Mitbürgern gegenüber wie Freunde, Gefährten, Genossen verhalten können und sollen. An erster Stelle den Mitbürgern gegenüber, die diskreditiert und verleumdet, unrechtmäßig beschuldigt und verurteilt, schikaniert und diskriminiert, neurotisiert und provoziert, beleidigt und erniedrigt werden. Solche Mitbürger können sicherlich auch die Unterzeichner der Charta 77 sein; das zahlenmäßige Übergewicht haben jedoch andere. Und all diejenigen müssen wir gemeinsam aufspüren und wir dürfen nicht zulassen, dass sie mit ihren Problemen alleine sind. Die Menschenrechte gehören nämlich nicht zu ihrer ,natürlichen Ausstattung‘, sondern sie sind eine Pflicht für uns und die anderen, auf dass wir ihnen durch unser Handeln und unsere Taten in der Praxis versichern, dass sie für uns Menschen sind, unsere Freunde, Gefährten, Genossen, die wir nie abschreiben werden, auch wenn es für uns mit einem Risiko verbunden sein sollte. Sei gegrüßt, Prag, den 1. 9. 1977, Dein Ladislav Hejdánek“[31]
Die Briefe an einen Freund gehörten damals zu den meistgelesenen SamisdatTexten. Die begeisterten Leser fertigten auf der Schreibmaschine Durchschläge an. Auf diese Weise fanden sie ab dem 2. Februar 1977 nicht nur in Prag, sondern auch an vielen Orten in der Tschechoslowakei Verbreitung. Den letzten Brief an einen Freund sandte der Autor am 1. 9. 1977 an die erwartungsvollen Adressaten. Einige Briefe wurden ins Englische, Deutsche, Französische, Polnische und Russische übersetzt und fanden auch im Ausland Anklang. Ladislav Hejdánek erklärte in ihnen klar und deutlich, was die Charta 77 sein sollte. Er verband darin zwei wichtige europäische Traditionen, nämlich die philosophische Suche nach der Wahrheit und die evangeliengemäße theologische Sorge für die zu Unrecht Beschuldigten und Verurteilten, die Missachteten und Verketzerten, die Schikanierten und Diskriminierten, die Neurotisierten und Provozierten, die Beleidigten und Erniedrigten. Gerade diesen Menschen müssten die Menschenrechte zuerkannt werden, und so dürften sie die Würde des Freundes, Gefährten oder Genossen erfahren.
Jesu Aufforderung, dem Durstigen Wasser zu geben, den Nackten und Geschmähten zu kleiden, den Neurotisierten zu unterstützen, den Gefangenen zu besuchen und alle anderen barmherzigen Werke, die im biblischen Gleichnis vom letzten Gericht (Mt 25,31–46) aufgeführt sind, interpretierte Hejdánek auf zivile Weise, d. h. den Denkmustern und der sozialen Intelligenz des heutigen Menschen angemessen. Er machte darauf aufmerksam, dass gerade im barmherzigen Handeln die Menschenrechte zu Wort kommen. Das ist für die meisten Theologen und Philosophen ein Novum, denn Hejdánek begründet die Menschenrechte nicht naturrechtlich – dass der Mensch mit ihnen geboren wurde, sie aber durch menschliches solidarisches Handeln immer wieder aktualisiert werden. Wir gestehen dem anderen die Menschenrechte zu, verhelfen ihnen zu ihrer Verwirklichung. Hejdánek verankert die Menschenrechte überraschend im konkreten solidarischen Dienst am anderen, wie er es der Botschaft des Matthäusevangeliums entnahm.[32]
Ladislav Hejdánek äußert sich ebenso allgemein wie der Evangelist Matthäus. Die Würde wird jedem in irgendeiner Weise Marginalisierten zugestanden, das heißt dem leidenden Atheisten, Humanisten oder Gläubigen. Ähnlich wie der Evangelist Matthäus spricht er von Menschen aus allen Völkern, also allgemein von allen Menschen, und die religiöse Zugehörigkeit ist dabei gewiss nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist die Bereitschaft, sich zu solidarisieren und dem anderen auf wirksame und einfallsreiche Weise zu helfen. Der barmherzigen gesellschaftlichen Hilfe wird eine grundlegende Würde zuerkannt (es handelt sich um einen Dienst in der Nachfolge Christi). Analog bezeichnet es der Philosoph als Pflicht, anderen zu ihren Menschenrechten zu verhelfen. Den Begriff der Pflicht verstehen insbesondere die durch die Philosophie der Aufklärung I. Kants geschulten Denker in seiner vollen Tiefe, wie der Philosoph Jan Patočka in der Begründung der Charta 77 andeutete. Letzterer war in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts für kurze Zeit Hejdáneks Lehrer an der Karlsuniversität Prag, bevor ihm die Kommunisten die Ausübung seiner Lehrtätigkeit generell untersagten. Jan Patočka gehörte zu den ersten drei Sprechern der Charta 77. Die Menschenrechte begründete er mit der moralischen Pflicht, also mit dem „kategorischen Imperativ“ I. Kants, nicht mit einer naturrechtlichen Argumentation. Sprecher der Charta 77 war er lediglich drei Monate lang, denn im März 1977 starb er und war damit das erste Opfer der staatlichen Repressionen und des gesellschaftlichen Terrors des Staatsapparats, der kommunistischen Medienkampagne und der Polizeischikane (lange Polizeiverhöre). Nach dem Tod Jan Patočkas wurde Ladislav Hejdánek Sprecher der Charta 77.
Die Charta 77 (entstanden als Geschenk in der Weihnachtszeit des Jahres 1976 und am 3. 11. 1992, gegen 20 Uhr, formell aufgelöst) hatte für Hejdánek nicht nur eine bürgerrechtliche, sondern auch eine ethische Dimension in der Tradition der Evangelien. Die Botschaft der Evangelien gesteht jedem schikanierten Menschen ohne Ansehen der Religion seine Würde zu. Dementsprechend möchte Hejdánek die Menschenrechte nicht als Privileg für wenige Auserwählte oder als machtpolitische Strategie zur Erlangung einer gerechten Vergeltung verstehen, deren Folge ein „gerechtes Eingreifen“ in die Gesellschaft ist, das mit der flächendeckenden Entfernung aller führenden Repräsentanten aus den gesellschaftlichen Posten auf höchster, mittlerer und unterster Ebene beginnt. Das würde faktisch eine Säuberung der Gesellschaft im Stile der französischen Revolution im 18. Jahrhundert bedeuten, die gerade wegen der Verflechtung von Recht und uneingeschränkter politischer Macht im Terror und der anschließenden napoleonischen Diktatur unterging. Den Chartisten ging es um die Garantie der Rechte und Freiheiten für alle und nicht um die Erlangung uneingeschränkter Macht für eine momentan unterdrückte Elite. Hejdánek brachte in die Charta 77 die dem Evangelium entsprechende Sorge um die Würde eines jeden Einzelnen ein. Er erweiterte damit das bisherige Konzept der Aktivisten, die Gerechtigkeit für strafrechtlich verfolgte Musiker und andere Kulturschaffende bzw. ihre Rehabilitierung und Rückkehr in bestimmte gesellschaftspolitische Positionen forderten. Hejdánek brachte einen besonderen Akzent in die Charta 77 ein, nämlich die Betonung des Entgegenkommens allen Menschen gegenüber, so wie es dem Geist der Evangelien entspricht, denn er verstand die Menschenrechte als wirksame Hilfe für andere. Der evangelische Pfarrer Jan Šimsa5 wies in der Einleitung zu Hejdáneks Buch Briefe an einen Freund darauf hin, dass Hejdánek nicht nur als einer der ersten dezidiert auf Havlíček Borovský und sein Demokratieverständnis sowie auf das Recht auf „gesetzesgemäßen Widerstand und die Pflicht des Bürgers, sich auf geschriebene Gesetze zu berufen und sich so selbst zur Bürgerschaftlichkeit und die Beamten zur Demokratie zu erziehen“5 verwies, Hejdánek war es auch, der im Laufe des Jahres 1976 Václav Havel und andere darauf aufmerksam machte, dass bereits im März 1976 von den Staatsorganen im Stillen maßgebliche Gesetze zu den Rechten und den Freiheiten des Menschen publiziert worden waren.
Indem er den biblischen Akzent der Fürsorge für den Nächsten einbrachte, wies Hejdánek vielen den Weg zum richtigen Verständnis der Menschenrechte, und im tschechoslowakischen Umfeld musste man nicht diskutieren, um welche Rechte es ging – Menschenrechte der ersten, der zweiten oder der dritten Generation.6 In dieser Hinsicht stimmte er bereits seit vielen Jahren mit dem Rechtsverständnis Božena Komárkovás überein, und sie schrieb auf Hejdáneks Anregung hin (1969) für die literaturkritische Zeitschrift Plamen den umfangreichen Essay Menschenrechte und Christentum (Lidská práva a křesťanství). Die Zeitschrift Plamen wurde von den „Normalisierern“ zum Schweigen gebracht, und die Studie über die Menschenrechte erschien später im Selbstverlag in der Brünner Edition Profily unter den Fittichen Jiří Müllers.
Bürgerschaftliche Verantwortung nach 1989
Hejdáneks Engagement war nicht nur philosophisch (Immanuel Kant, Emanuel Rádl)[33] und historisch (Karel Havlíček Borovský, T. G. Masaryk) begründet, sondern entsprang überraschenderweise auch einer transformierten biblischen Tradition: „Ich denke, kurz gesagt, dass eine ,Transzendenz‘ (ich selbst spreche ungern von einer transzendenten Wirklichkeit, sondern nur von Transzendenz als aktives Transzendieren), die uns in unseren alltäglichen Problemen und Kämpfen nicht helfen kann, die uns nicht ermächtigen (mit ,Macht‘ ausstatten) und uns auf unserem unerlässlichen und zweifelsohne vorübergehenden, provisorischen Weg durch die Welt und in die Welt, auf unserem Lebensweg nicht stärken kann, unnütz ist. Ich denke, dass ich nicht der Einzige bin, der nicht nur das Gefühl oder die Vorahnung hat, sondern vielmehr die vertrauensvolle Gewissheit oder das vergewisserte Vertrauen, in solchen heiklen Grenzsituationen nicht ganz ohne Hilfe zu sein und zu bleiben, und so neige ich dazu, die Erfüllung meiner nur ,möglichen Existenz‘ nicht allein im Trotz und in der Auflehnung gegenüber dem ,Schicksal‘ zu suchen, sondern auch in einer gewissen Hingabe, die die Situation annimmt, ohne sich ihr zu unterwerfen, aber auch ohne sich von ihr abzuwenden und ihr zu entfliehen. In solche Situationen geraten wir nicht einfach hinein (oder sind in sie ,geworfen‘), sondern wir werden eher in sie ,hineingesandt‘.“
Die Philosophie und die Theologie haben also jene noetische, d. h. erkennende, also gedanklich-kritische Dimension. Wir erkennen in uns selbst und dem anderen die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Gerechtigkeitsverständnis, zu bestimmten Ausdrucksformen der Liebe, aber auch zu einem bestimmten Verständnis von Schuld. Philosophie und Theologie haben eine ähnliche Sichtweise. Hejdánek verwendet im Text beide Argumentationen. Und gerade für diese „Überschneidung zweier Mengen“ bin ich ihm dankbar. Das biblisch-theologische und das philosophische Denken können zu einer gemeinsamen Sprache finden, ohne etwas von ihrer Einzigartigkeit und ihrer Entschlossenheit, am Wandel der Welt hin zu mehr Gerechtigkeit teilzuhaben, einzubüßen, ohne sich dabei der Illusion einer Welt hinzugeben, die auf ewig harmonisch ist, einer Welt ohne Krisen und Schuld, ohne die Möglichkeit der Vergebung (Weltreligionen) und der Reinigung (Philosophie – K. Jaspers u. a.). Hejdánek wandte sich schon Anfang der 90er Jahre in einem Fachartikel[34] der christlichen Tradition zu, die nach der Wahrheit sucht. Er bejahte die „Herausforderung von Bethlehem“. Damit näherte er sich stark der Erkenntnis Božena Komárkovás und einiger Rechtshistoriker (Georg Jellinek, John Witte jun.) an, dass das subjektive Recht und die Subjektivität des Menschen im Rahmen der theologischen Reflexion des apodiktischen Rechts (Dekalog und weitere, auch neutestamentliche Texte) schon im Altertum entstanden sind. Mit dieser Feststellung wird die philosophische Tradition natürlich nicht geleugnet. Es wird lediglich gesagt, dass es neben dem philosophischen auch ein legitimes theologisches Verständnis des Menschen und seiner Rechte gibt und dass Ladislav Hejdánek in erheblichem Maße nicht nur durch seine gedankliche Reflexion, sondern auch durch sein gesellschaftliches und kirchlichreligiöses Engagement zu dieser Erkenntnis beigetragen hat.
[1] LACH, Jiří, Laichterovo nakladatelství a projekt České dějiny, in: Studie a edice, Knihovna Listů – 6 – záznamy, Olomouc, 2008, S. 126.
[2] Korrespondenz – Synodalrat, persönliches Dossier F. L., vom 3. November 1972. 3LACH, Jiří. S. 127.
[3] Korrespondenz – Synodalrat, persönliches Dossier F. L., vom 3. November 1972.
[4] Korrespondenz – Synodalrat, persönliches Dossier F. L., vom 22. November 1949.
[5] LACH, Jiří, Laichterovo nakladatelství a projekt České dějiny, Olomouc, 2008.
[6] LACH, Jiří, František Laichter: pěstitel naučné literatury – přítel filozofie, in: Listy, 2007, Nr. 3.
[7] LACH, Jiří, ebd.
[8] Božena Komárková, Z mého života, in: O svobodu svědomí, Benešov: Eman, 1998, Bd. Nr. 4, S.
[9] .
[10] Božena Komárková, Svoboda občana od státu, Benešov: Eman, 1997, Bd. Nr. 1, S. 106.
[11] Vgl. Klaus Seybold, Zdůvodnění čestného doktorátu, in: Božena Komárková, O svobodu svědomí, Eman, 1998, S. 143.
[12] Božena Komárková, Human Rights and the Rise of the Secular Age, Eman, 2003, ISBN 8086211-33-9.
[13] Zásady Českobratrské církve evangelické, Praha, 1968.
[14] Die vorbereiteten Materialien für die „Grundsätze“ wurden publiziert in: Božena Komárková, Ve světě a ne ze světa und in der Zeitschrift Křesťanská revue – siehe Anmerkung der Herausgeber Milena Šimsová und Jan Šimsa, Bd. 5, 132–133 (Entwurf zum Artikel über Gott, den Christen und die Welt u. a.).
[15] Božena Komárková, Obec Platónova a Augustinova; Původ a význam lidských práv, in: Původ a význam lidských práv, Praha, 1990.
[16] Božena Komárková, Dvojí zákon, in: Sekularizovaný svět a evangelium, Brno, 1992/1993, Nachtrag, S. 103–118.
[17] Zásady ČCE, 1968, S. 88.
[18] Křesťan a svět, 1965, Bd. 5, S. 99–100.
[19] Božena Komárková, Přirozené právo a křesťanství, in: Sekularizovaný svět a evangelium, 1992/1993, S. 23.
[20] Božena Komárková, Dopis předsedovi Komise pro veřejné záležitosti, faráři Miroslavu Krejčímu, in: O svobodu svědomí, Bd. Nr. 4, S. 67–68, hier S. 68.
[21] Božena Komárková, Dopis Františku Škarvanovi, in: O svobodu svědomí, Bd. Nr. 4, S. 83–85, hier S. 83.
[22] Božena Komárková, Ad informandum o důsledcích podpisu Charty 77 v případě Dr. Boženy Komárkové, profesorky ve výslužbě, narozené 1903, bytem v Brně, in: O svobodu svědomí, Bd. Nr.
[23] , S. 112–113.
[24] Božena Komárková, Difficile est …, in: O svobodu svědomí, Bd. Nr. 4, S. 99–109.
[25] Knihovna samizdatů - Libri prohibity, Senovážné náměstí, Praha – Jiří Gruntorád.
[26] Božena Komárková, Dopis Janu Patočkovi, in: O svobodu svědomí, Bd. Nr. 4, S. 110–111.
[27] Die Hefte schrieb er vom 27.11.1971 bis zum 22. 3. 1972, später herausgegeben im Verlag Oikúmené, Praha, 2012.
[28] L. Hejdánek, 2010, S. 84–95 (1965).
[29] L. Hejdánek, 2010, S. 84–95 (1965).
[30] Hrsg. von Jindřich Halama, The Idea of Human Rights: Traditions and Presence, Praha, UK ETF 2003, S. 112–116.
[31] L. Hejdánek, 1993, S. 134.
[32] L. Hejdánek, 1993, S. 134.
[33] Eine einzigartige Begründung des kritischen Denkens in einem Horizont der Verantwortung und der Teilhabe an einer Reform der Welt bietet seine im Gefängnis entstandene „Einführung in das Philosophieren“: Úvod do filosofování, 1971–1972 (die sogenannten „Hefte“), 2. Ausgabe, Praha: OIKOYMENH, 2012.
[34] L. Hejdánek, Lidská práva, budoucnost Evropy a jedna česká tradice, in: Reflexe, filosofický časopis 1990/4, 9, S. 1–9.